Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
wissen, alter Mann«, knurrte Alphart. »Aus diesem Grund sind wir zu dir gekommen. Aber wie es scheint, liegt dir die Vergangenheit mehr am Herzen als die Gegenwart.«
»Weil die Gegenwart ohne die Vergangenheit nicht existieren kann«, konterte der Druide. »Niemand kann von sich behaupten, das Hier und Jetzt zu begreifen, wenn er nicht das Gestern verstanden hat. Es ist das Elend der Menschen, dass sie dies nicht einsehen wollen.«
»Einsicht wird uns nichts nützen im Kampf gegen die Erle«, war Alphart überzeugt. »Weder können kluge Worte das dunkle Herz eines Erls durchbohren, noch vermögen sie ihm den Schädel zu spalten. Ich vertraue lieber auf meinen Bogen und auf die Schärfe meiner Axt. Und wenn es darauf ankommt, werde ich kämpfen bis zum letzten Atemzug.« Grimmig schüttelte er den Kopf. »Wir hatten gehofft, dass du uns helfen könntest. Aber wenn es nicht so ist, dann sag es frei heraus.«
»Du sprichst töricht, Alphart Wildfänger!«, hielt ihm Yvolar vor. »Dennoch will ich dir nicht zürnen, denn deine Art ist nun einmal wild und ungestüm. Auf die Weisheit des Alters jedoch höre, denn nur sie kann dir zum Erfolg verhelfen.«
»So?« Alphart musterte sein Gegenüber missmutig. »Und was rät uns deine Weisheit? Sollen wir uns hinter Büchern verstecken, während Unholde und Finsterwesen die Täler überrennen? Ich habe geschworen, die Erle zu bekämpfen. Mit leeren Worten gelingt mir das nicht!«
»Ist es tatsächlich der Durst nach Rache, der aus dir spricht?«, wollte Yvolar wissen.
»Weshalb fragst du mich das?«
»Weil ich den Eindruck habe, dass die Trauer um deinen Bruder nicht alles ist, was dich antreibt. Da ist auch ehrliche Sorge. Furcht um die Menschen von Allagáin…«
»Blödsinn!«, versetzte Alphart. »Mit den Talbewohnern haben wir Wildfänger nichts zu schaffen.«
»Natürlich nicht.« Yvolar lächelte amüsiert. »Aber du hast recht, Alphart. Den Erlen muss Einhalt geboten werden. Wer nur den Rauch sieht, aber nicht das Feuer, der wird den Brand nicht löschen.«
Alphart seufzte genervt. »Was hat das nun wieder zu bedeuten?«
»Dass ich Gewissheit brauche. Die Erle zu bekämpfen, aber nicht das, was sie antreibt, wäre ein aussichtsloses Unterfangen, denn die Kreaturen der Dunkelheit sind so zahlreich wie die Sterne. Wir müssen in Erfahrung bringen, was hinter all dem steht. Wir müssen wissen, was die Erle dazu gebracht hat, Dorgaskol zu verlassen.«
»Ihr sprecht von Muortis, nicht wahr?«, fragte Leffel mit ängstlichem Flüstern.
»Ja, mein Freund.«
»Aber wie ist das möglich?«, wollte Rionna wissen. »Nehmen wir an, dass es den Herrn des Eises tatsächlich gibt, dass er nicht nur eine Gestalt aus alten Mythen ist, wie viele behaupten – wie kann er die Jahrtausende überdauert haben?«
»In den Tiefen Urgulroths hat Zeit keine Bedeutung«, gab Yvolar zur Antwort. »Muortis hat einst existiert, mein Kind, ich selbst habe in sein schreckliches Angesicht geblickt. Es ist uns gelungen, ihn zu vertreiben – aber wir haben ihn nicht vernichtet, dazu reichte unsere Kraft am Ende des Krieges nicht mehr aus. Muortis hat die Zeit genutzt, um seine Wunden zu lecken und sich zu stärken. Gut möglich, dass er hinter allem steckt.«
»Und wie wollt Ihr darüber Gewissheit bekommen?«
»Es gibt nur einen Weg«, sagte der Druide, »nur eine Möglichkeit, hinabzublicken in die dunklen Klüfte von Urgulroth, ohne sich selbst dorthin zu begeben. Nur der Zauberspiegel des Zwergenkönigs Alwys vermag in die Tiefen der Welt zu schauen.«
»Ein Zauberspiegel?« Leffel machte große Augen.
Alphart seufzte erneut, noch verzweifelter als zuvor.
»Gewöhnlich benutzen die Zwerge ihn, um in den Eingeweiden der Erde Gold und Edelsteine aufzuspüren«, erklärte Yvolar. »Aber man kann den Spiegel auch für sinnvollere Zwecke einsetzen.«
»Und Ihr denkt, dass die Zwerge den Menschen helfen werden?«, fragte Rionna.
»Von alters her pflegen die Zwerge die Tiefen der Welt nach Bodenschätzen zu durchwühlen«, erklärte der Druide, »jedoch sind sie dabei zu weit gegangen. In ihrer kindlichen Gier nach allem, was glitzert, drangen sie dereinst nach Urgulroth vor und weckten das Böse aus dem Schlaf, in den es am Anbeginn der Zeit gefallen war. Seither stehen die Zwerge bei den anderen Sterblichen in der Schuld – ein alter Schwur bindet sie, ihnen beizustehen.«
»Also musst du einen Blick in diesen Spiegel werfen, und wenn du das getan hast und weißt, was wirklich
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