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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Turm, in dessen Tiefen es verschwand – und am nächsten Tag schien niemand außer mir die Schatten bemerkt zu haben. Wen auch immer ich fragte, ob er etwas Verdächtiges gesehen oder gehört habe, der gab vor, von nichts zu wissen. Ist das nicht seltsam?«
    »In der Tat«, bestätigte Rionna, die keinen Grund hatte, an den Worten ihrer Zofe zu zweifeln. Zudem hatte sie in den letzten Tagen selbst zu viel Unwahrscheinliches erlebt. Grübelnd fragte sie sich, wer die geheimnisvollen Gestalten wohl gewesen sein mochten, die Calma in jener Nacht gesehen hatte, während sie gleichzeitig überlegte, ob sie die Antwort wirklich wissen wollte…
    »Ich habe keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat, Herrin«, fuhr die Zofe fort, »aber eines weiß ich bestimmt.«
    »Nämlich?«
    »Dass Euer Gefühl Euch nicht trügt. Es gehen tatsächlich eigenartige Dinge in diesen Mauern vor sich. Haltet Ihr es für möglich, dass…?« Sie zögerte.
    »Dass was?«, fragte Rionna. »Willst du es mir nicht sagen?«
    »Es fällt mir nicht leicht, es auszusprechen, Herrin… aber könnte es nicht sein, dass die Waffen, die in jener Nacht abgeladen wurden…«
    »Ja?«
    »… dass sie aus dunklen Schmieden stammen?«, brachte Calma ihre Frage vorsichtig zu Ende und machte dabei ein Gesicht, als wollte sie sich gleichzeitig dafür entschuldigen.
    »Aus dunklen Schmieden? Du meinst…?« Rionna verstummte, und ihre Züge färbten sich rot – ob aus Empörung über Calmas Verdacht oder aus Scham darüber, dass eine einfache Zofe den Mut hatte, auszusprechen, was sich eine Prinzessin nicht einmal zu denken traute, wusste sie selbst nicht.
    »Ihr habt von den Erlen berichtet«, flüsterte Calma. »Wie es heißt, sind die Klüfte von Düsterfels noch immer voller Waffen, die einst in böser Absicht geschmiedet wurden…«
    »Nein«, sagte Rionna und schüttelte entschieden den Kopf. »Mein Onkel würde niemals ein Bündnis mit den Unholden eingehen. Wozu auch? Welchen Nutzen hätte er davon?«
    »Ich weiß es nicht, Herrin. Ich weiß nur, was ich gesehen und gehört habe.«
    »Du hast nichts gesehen und gehört«, fuhr Rionna sie auf einmal barsch an. »Nichts außer ein paar Schatten und einigen unheimlichen Geräuschen. Das genügt nicht, um einen so gemeinen Verdacht zu äußern. Du kannst von Glück sagen, dass nur ich es bin, der du davon erzählt hast – der Fürstenrat könnte deine Worte als Hochverrat auslegen, und einen Hochverräter erwartet der sichere…«
    »Ich weiß sehr gut, was einen Hochverräter erwartet«, fiel Calma ihr ins Wort, »und ich hoffe inständig, dass ich mich irre und Ihr recht habt, Herrin. Aber Ihr müsst mir versprechen, die Augen offen zu halten und auf der Hut zu sein, was Euren Onkel betrifft. Wollt Ihr mir das zusagen – mir, Eurer guten alten Zofe?«
    Rionna zögerte, dann nickte sie.
    Ja, irgendetwas ging in Iónador vor sich. Etwas, das dunkel und gefährlich war…

 
    25
     
     
     
    Der alte Eichenhain, der schon vor Unzeiten Schauplatz geheimer Riten gewesen war, wurde erneut Zeuge eines großen Ereignisses. Die Flamme Fynrads brannte noch immer, und die Stämme des Waldvolks hatten ihren Zwist beendet, um gemeinsam gegen den mächtigen Feind zu ziehen, der sie alle bedrohte.
    Iónador…
    Aus allen Teilen des Waldes waren sie gekommen: die Schlangenkrieger, die Bärenjäger und die Wolfskämpfer, die wilden Eber, die schnellen Hirsche, die listenreichen Füchse und die arbeitsamen Biber. Ein Stamm nach dem anderen trat vor Galfyn, den jungen Häuptling des Falkenstamms, der einmütig zum Heeresführer ernannt worden war, und erklärte seinen Beitritt zur großen Streitmacht des Waldvolks: die Wolfskrieger in den grauen Fellen und mit den Kapuzenhelmen aus Wolfsschädeln, die Schlangen in ihren Rüstungen aus Leder, bewaffnet mit Pfeil und Bogen, die Eber unter dem Banner des Keilers Eriak mit kurzen Klingen und Speeren, die sie meisterlich zu werfen verstanden, die am Fluss lebenden Krieger des Biberstammes, deren bevorzugte Waffe die Axt war, die Schwertkämpfer der Hirsche, deren lederne Helme von eindrucksvollen Geweihen gekrönt wurden, die Füchse mit ihren krummen Klingen und runden Schilden, Galfyns Falken, die mit ihren grünen Umhängen weithin sichtbar aus dem Heer der Kämpfer stachen, und schließlich die Bärenkrieger, die Gefürchtetsten von allen; in grobe, zottige Felle gehüllt waren sie mit groben Keulen bewaffnet, und es ging das Gerücht, dass nicht wenige unter ihnen

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