Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Nüstern. »Zwerge waren es, die die Stollen anlegten und die Treppen und Gemächer des Túrin Mar aus dem Fels schlugen, und es waren sylfische Herren, die ihre Paläste rings um den Turm errichteten. Auch die Mauern mit ihren Türmen und Zinnen wurden nicht von Sterblichen erbaut, sondern von den Erben Ventars. Wie also kannst du dir anmaßen, alles wissen zu wollen, was die Goldene Stadt betrifft? Sie ist älter als alles, was du kennst. Älter als der Tisch, auf den du dich stützt. Älter als die Klinge, die du trägst. Älter als der Gaul, den du reitest. Und auch älter als du selbst!«
»Schon gut!« Barand hob abwehrend die Hände. »Ich habe verstanden. Sag uns, Drache, welches Geheimnis du hütest, von dem ich – ich gesteh’s ein – nichts weiß. Lass uns teilhaben an deinem Wissen und an deiner Weisheit.«
Fyrhacks Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, während er zu ergründen versuchte, ob der junge Marschall im Zorn gesprochen hatte, oder ob er es ehrlich meinte. Jedoch konnte der Drache in Barands Blick keine Arglist erkennen. »Nun gut«, sprach er deshalb, »ich werde es euch verraten: Vor langer Zeit, nachdem die Schlacht am Korin Nifol siegreich geschlagen und das Land vom Eis befreit worden war, fiel ich beim König in Ungnade.«
»Du? In Ungnade?« Barand hob die Brauen. »Aber Yvolar sagte, du wärst im Krieg ein Held gewesen…«
»Heldentum?« Der Drache schnaubte. »Wer ist denn wirklich ein Held? Der das Glück hat, den Krieg zu überleben und die Früchte des Sieges zu ernten, oder der, dessen selbstmörderisches Opfer den Sieg erst möglich macht? – Damals«, fuhr er fort, »gab es nur noch wenige meiner Art. Die meisten von uns hatten ihr Leben gelassen im Kampf gegen die Eisdrachen, die Muortis in seinen finsteren Höhlen gezüchtet hatte. Vielleicht war das der Grund dafür, dass ich leichtfertig wurde und mich an giftigen Dämpfen berauschte – Dämpfen, die für Sterbliche den Tod bedeuten, uns Drachen jedoch Tage der Entrückung und süßen Vergessens bescheren. In solchem Zustand geriet ich in Streit mit dem Herrscher, und man ließ mich in den Kerker des Túrin Mar werfen.«
»In den Kerker?« Galfyn machte große Augen.
»Allerdings – aber ich blieb nicht lange dort. Durch das Zutun eines Druiden, den ihr beide kennen dürftet, gelang mir die Flucht.«
»Yvolar?«, fragte Barand.
»Der Druide«, bestätigte Fyrhack nickend, »ist der wahre Grund dafür, dass ich mich entschlossen habe, wider meinen Vorsatz unter die Sterblichen zurückzukehren und ihnen im Kampf gegen Muortis beizustehen. Nur ihm zuliebe habe ich es getan – und nicht etwa um euretwillen.«
Barand tauschte mit Galfyn einen verwunderten Blick. »Und wie, wenn es erlaubt ist zu fragen, bist du damals aus Iónador entkommen?«
»Durch einen unterirdischen Stollen.«
Barand glaubte, nicht recht zu hören. »Einen… Stollen?«
»Durch einen geheimen Gang, der von einer alten Zisterne aus ins nahe Gebirge führt, geradewegs unter den Stadtmauern hindurch.«
»Wie groß ist dieser Stollen?«, wollte Galfyn wissen, während Barand einen Augenblick lang sprachlos war vor Staunen.
»Groß genug, dass jemand von meiner Art hindurchschlüpfen kann – also ist er auch groß genug für dich und deinesgleichen, Mensch.«
Erneut wechselten der junge Häuptling des Falkenclans und der Marschall von Iónador einen Blick. Sollte dies die Lösung sein? Die Antwort, nach der sie vergeblich gesucht hatten?
»Würdest du den Eingang zu dem Stollen wiederfinden?«, erkundigte sich Barand.
»Sonst hätte ich euch wohl kaum davon erzählt.«
»Dann sei es. Ich werde mit meinen Leuten in den geheimen Gang eindringen und Iónador von innen her zurückerobern.«
»Und wie das?«, fragte Galfyn. »Ob geheimer Stollen oder Brücke – das Problem bleibt gleich. Wir bekommen nicht genug Leute in die Stadt, um gegen die Erle bestehen zu können.«
»Wenn es uns gelingt, das Haupttor unter Kontrolle zu bringen und es zu öffnen«, erklärte Barand, »kann das Hauptheer nachrücken. Als Erstes werden Iónadors Lanzenreiter über die Brücke stürmen und eine Bresche in die Reihen der Verteidiger schlagen. Dann wird das Fußvolk nachrücken, Waldkrieger wie Allagáiner, und für die Unholde wird es ein böses Erwachen geben.«
»Ich bin einverstanden«, erklärte Galfyn, nachdem er den Plan kurz rekapituliert hatte, »mit einer Ausnahme: Vom Angriff deiner Ritter hängt alles ab, deshalb solltest du und kein
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