Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
gewesen.
Die Frau bog ihren Rücken, dann streckte sie sich und nahm die Arme zurück. Die Kiemen an ihrem Hals sprangen zu einem rosafarbenen Rüschenkragen auf, der sich hell von ihren blassgrünen Schuppen abhob. Sie hob das Seil auf, wickelte es sich um die Taille und glitt mit schlangengleicher Anmut ins Torfmoor.
Kaldar manövrierte den Kahn um die Flussbiegung und sah seinen Onkel an. »Wir sind fast da.«
Hugh stand auf. Um ihn erhob sich die Hundemeute auf die Hinterläufe und blickte den großen Mann mit fanatischer Ergebenheit an. Hätte man nicht gedacht, dass der Kahn mit Kötern vollgestopft war, dachte Kaldar. Achtzehnhundert Pfund Hunde an Bord und kein einziges Bellen oder Knurren. Als wären die Biester hypnotisiert.
Hugh zog sein Hemd aus und entblößte seinen schlanken Oberkörper. Er streifte die Stiefel ab, dann die Hosen und faltete seine Kleidung sorgfältig zusammen. »Und wie kommt’s, dass gerade du mir hilfst? Hast du ’ne Wette verloren oder was?«
»Ich verliere keine Wetten. Habe mich freiwillig gemeldet. Schließlich habe ich noch nie gesehen, wie du dein Ding durchziehst. Wäre doch ’ne Schande, wenn ich mir das entgehen ließe.«
Cough winselte verhalten.
»Gleich«, sagte Hugh zu ihm. »Gleich.«
Eine Zypressenreihe kam in Sicht. Kaldar zog die Zügel an und dirigierte die zwei Rolpies Richtung Ufer. »Wir sind da.«
»Gut.« Hugh holte tief Luft und straffte die Schultern. »Gut.«
Sein Körper wand sich, als wollte sich sein Innerstes nach außen kehren. Knochen drängten, Muskeln folgten. Kaldar kam es sauer hoch, als Hugh krampfend auf den Boden des Kahns krachte. Einstimmiges Hundegeheul antwortete.
Hugh schüttelte sich und rappelte sich auf alle viere hoch. Dichtes, graues Fell hüllte ihn ein, dann sah ein riesiger Wolf Kaldar aus grünen Augen an. Kaldar schluckte. Das Ding überragte die Hunde fußhoch, und Cough war immerhin hundertzwanzig Pfund schwer.
Der Kahn stieß gegen das schlammige Ufer, und der Wolf sprang in den Morast. Die Hunde stürmten in einer gesprenkelten Sturzflut hinterher. Kaldar befestigte die Zügel an einem Baum, griff sich seine Schrotflinte und folgte ihnen.
Die Schlangenfrau brach zum achten Mal durch die Oberfläche des Teiches. William beobachtete, wie sie das Seilende aus dem Torf zog und dabei nicht mehr so toll aussah. Dann drückte sie Karmash das Seil in die Hand und klappte am Ufer zusammen. Der schlammige Boden gab unter ihrem Gewicht nach, und sie versank im Morast. Dicke Torfschichten bedeckten Gesicht und Brust, die sich hob und senkte.
Karmash warf das Seil einem anderen Agenten zu, der sich mit Klauen und Greifschwanz am Stamm der Zypresse festklammerte. Der Agent fing das Seil auf und fädelte es in den Flaschenzug ein. Sie hatten die Kiste mit ihrem Seil offenbar wie ein Päckchen verschnürt. William hatte dergleichen schon mal gesehen. Das Seil würde die Kiste bei der Befreiung aus dem Morast fest umschließen. An ihrer Stelle würde er sich bei der Beförderung der Kiste aus dem Schlamm erst mal etwas gegen die Sogwirkung einfallen lassen.
Karmash hatte dieselbe Idee. Er lief übers Ufer zu der reptilienartigen Schwimmerin und ließ eine schwere Eisenstange neben ihr fallen. Sie schüttelte den Kopf. Darauf stieß er sie wie einen faulen Hund mit dem Fuß an. Doch sie schüttelte wieder nur den Kopf und rollte sich zusammen, als Karmashs Fuß ihre Rippen traf.
Nun verließ Spider seinen Ruheposten und ging zu ihnen hinüber. Er kniete sich neben die Frau und sprach mit ihr. Das Fadenkreuz von Williams Linse richtete sich auf seine Augen, das Bild wurde scharf und zeigte … Spider: ernsthaft, leise, eindringlich.
Die Frau nickte schließlich und griff mit zitternden Fingern nach der Eisenstange. Karmash bellte Befehle.
In diesem Moment riss die dichte Wolkendecke auf. Grauer, kalter Regen ergoss sich übers Moor, sammelte sich im Schlamm, badete Gesichter und klatschte Haare an Köpfe. Spider hob das Gesicht zum Firmament und fluchte.
Das Schlammloch, in dem Cerise lag, füllte sich langsam mit Wasser. Neben ihr schnippte Richard mit einer winzigen Bewegung einen Zweig weg, der ihm aufs Gesicht gefallen war.
Die Agenten rechneten nicht damit, dass sich ihnen jemand von Süden nähern würde. Für die Augen eines Außenseiters wirkte das Labyrinth aus Schlamm, Wasser und Bäumen vermutlich undurchdringlich. Aber irgendwo da draußen lauerte William, sprungbereit.
In einer Entfernung von dreißig Metern
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