Land der Sehnsucht (German Edition)
Gedanken von dem abzulenken, was vor mir liegt. Glaube nicht, ich wäre dafür blind.“
Er lächelte über ihre Wortwahl. „Es war mir ein Vergnügen, Vernie.“
Sie schüttelte den Kopf. „Du bestehst darauf, diesen Namen zu benutzen.“
„Mir gefällt er. Er passt irgendwie zu deiner Persönlichkeit.“
„Wir wissen doch beide genau, dass es viel mehr zu deiner Persönlichkeit passt, diesen Namen zu benutzen, als zu meiner.“
Er lachte. „Darin kann ich dir nicht widersprechen.“ Er hob sie vom Wagen nach unten. Dabei stellte er fest, dass er es nicht sonderlich eilig hatte, sie wieder loszulassen. Sie bewegte sich auch nicht. „Aber du musst wissen, dass ich diesen Namen nett meine, wenn ich ihn benutze. Sogar liebevoll.“
Sie dachte einen Moment über diese Worte nach und spielte mit den Knöpfen an seinem Hemd. „Wenn das stimmt, kannst du ihn benutzen, so oft du willst.“
* * *
Beim Mittagessen aus Maisbrot und Schinken, das sie Mrs Baird zu verdanken hatten, sprach Jack vorsichtig noch einmal die Frage an, die ihm nicht aus dem Kopf ging. „Du hast Monsieur Marchand erwähnt, und eine Francette. Sie waren wichtige Menschen in deinem Leben?“
„Oui, Monsieur Marchand war der Arbeitgeber meiner Mutter, und auch meiner. Francette ist seine Tochter, deren Gefährtin und Gesellschafterin ich seit dem Alter von fünf Jahren war.“
Als sie beschrieb, wie sie im Haus der Marchands aufgewachsen war, verstand er plötzlich einiges. Véronique war alles andere als die verwöhnte, reiche Tochter, für die er sie am Anfang gehalten hatte. Dennoch hatte sie offenbar alle Privilegien jenes Lebens und alles, was damit einherging, zur Verfügung gehabt. Das erklärte auch, warum sie sich manchmal so dominant benahm. Kein Wunder, dass dieses Territorium ihr primitiv erschien. Das war es im Vergleich zu ihrem Leben in Frankreich sicher auch.
Er beobachtete sie mit einem Lächeln. Er genoss es, wie sie die Hände beim Sprechen benutzte. Falls er sie je zum Schweigen bringen wollte, wusste er genau, wie er dabei vorgehen müsste. Er warf einen Blick auf den Sonnenstand. Da die Pferde mittlerweile ausgeruht waren, beschloss er, seine Theorie auf der Stelle einem Praxistest zu unterziehen.
„Aber Francette und ich standen uns nie so nahe, wie man vielleicht glauben könnte. Als Kind hatte ich mir immer eine Schwester gewünscht. Es war mir nicht wichtig, ob sie älter oder jünger war. Ich wollte einfach …“
Sie brach mitten im Satz ab und starrte auf seine Hände, die ihre umschlossen. Sie hob den Blick. „Ich spreche zu viel, nicht wahr?“
„Nein, überhaupt nicht. Wir müssen dieses Gespräch nur im Wagen fortsetzen.“
* * *
Zwei Stunden später erreichten sie Sluice Box, eine winzige Bergarbeiterstadt, die im buchstäblichen Sinn an der Seite des Berges klebte. Während Jack einen verstohlenen Blick auf Véronique neben sich im Wagen warf, hatte er das Gefühl, mehr über sie zu wissen als über irgendeinen anderen Menschen außer Mary. Er wusste, dass er in ihrem Beisein jederzeit sprechen oder schweigen konnte, und ihr ging es mit ihm anscheinend genauso. Das ungezwungene Schweigen mit ihr war genauso angenehm wie die Gespräche und sogar ein wenig erholsamer.
Er legte den Kopf zurück, um den Berg hinaufzuschauen und den Anblick auf sich wirken zu lassen. Er hatte nie verstanden, was den Reiz des Bergbaus ausmachte, aber er konnte verstehen, warum ein Mann in dieser Gegend Wurzeln schlagen wollte. Gott hatte bei diesem Teil der Schöpfung eindeutig Überstunden gemacht.
Der grauweiße Dunst, der am frühen Morgen über den höchsten Gipfeln gehangen hatte, war schließlich der Hartnäckigkeit der Sonne gewichen und hatte die strahlenden, wilden Erhebungen der Berge zum Vorschein gebracht. Jack fragte sich, wie es wohl wäre, diese Berge zu passieren, wenn der tiefste Winter das Land im Griff hatte. Er dachte an einen Artikel, den er vor mehreren Jahren über eine Reisegruppe gelesen hatte, die die Sierra Nevada im Winter zu überqueren versuchte. Er erschauerte bei der Erinnerung an das Furchtbare, das sie getan hatten, als ihre Lebensmittel ausgegangen waren.
Familien, die unter seiner Führung gereist waren, hatten sich manchmal über die täglichen Anstrengungen, die er gefordert hatte, beklagt. Aber sie waren letztlich immer dankbar gewesen, ihr Ziel vor dem ersten Schneeeinbruch zu erreichen. Er war nie ein Risiko eingegangen, wenn es um das Leben von anderen ging.
Nichts war
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