Land des Todes
Augen brannten, Anna, sie loderten kalt …«
»Frau Lina, es war bloß ein schlimmer Traum. Schauen Sie, nur ich bin hier!« Ich schlang einen Arm um ihre Schultern. Ihre Haut fühlte sich klamm und kalt an, ihr gesamter Leib zitterte heftig. Das Nachthemd war triefnass, und im Kerzenlicht schimmerte ihr Antlitz vor Schweiß und Tränen.
»Ich will nicht sterben. Was wird mit mir geschehen, wenn ich sterbe? Warum muss ich sterben?«
»Sie werden nicht sterben, meine Liebe, aber Sie müssen zurück ins Bett. Kommen Sie … kommen Sie, ich singe Sie in den Schlaf.«
Sie ergriff meine Hand wie ein Kind, und das Vertrauen, das in jener kleinen Geste lag, presste mir vor Furcht undMitleid das Herz zusammen. Ich wischte ihr das Gesicht ab, schlang ein Schultertuch um sie und schürte das Feuer, das in seiner Glut vor sich hinschlummerte. Lina gestattete mir, ihr klammes Nachthemd zu wechseln und sie im Bett wieder zuzudecken, und letztlich versank sie in Schlaf.
Ich selbst wagte danach nicht mehr, zu schlafen. Aufrecht saß ich da und beobachtete sie. Zwar erwachte sie nicht mehr, aber sie rührte sich oft und murmelte vor sich hin, ja, vereinzelt schrie sie sogar auf. Zumeist konnte ich nicht verstehen, was sie sagte, doch zweimal rief sie nach Damek, und einmal schien sie von Tibor zu sprechen.
Als der Morgen trüb und blau dämmerte, schlief sie friedlicher. Ich weckte Irli und bat sie, sich zu Lina zu setzen, während ich hinunter in die Küche ging. Dort spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und kochte einen Kräutertee mit Süßholz und Honig, um wach zu bleiben: Ich war todmüde, konnte mir jedoch nicht vorstellen, dass ich an jenem Tag zur Ruhe kommen würde.
Die Heftigkeit des Sturmes hatte nachgelassen, trotzdem schneite es nach wie vor. Bestürzt wurde mir klar, dass der Arzt seinen morgendlichen Besuch vermutlich ausfallen lassen würde, und ich war alles andere als überzeugt von meiner Fähigkeit, ein Fieber mit Wahnvorstellungen zu bewältigen. Ich klopfte an Tibors Tür, um ihm mitzuteilen, dass seine Gemahlin aus ihrer Ohnmacht erwacht war. Als er zur Tür kam, war er angezogen, aber unrasiert, und er roch ungewaschen. Ich vermutete, dass er in seinen Kleidern geschlafen hatte, und er wirkte matt und zerstreut.
»Ich dachte, ich hätte in der Nacht etwas gehört«, meinte er. »Aber dann war ich sicher, dass es Stimmen im Wind waren. Ich habe eine Stimme gehört, Annie, eine Stimme, die meinen Namen rief, und jemanden, der an meinen Läden rüttelte … aber wer könnte vor meinem Fenster gewesen sein? Ich schwöre, zum Boden hinunter sind es mindestens dreißig Fuß.«
»Niemand, Herr Tibor, so viel steht fest«, sagte ich. Mein Mut sank, als ich hörte, wie unzusammenhängend er daherredete. Ich fragte mich, was ich tun sollte, wenn mein Herr genauso wahnsinnig werden sollte wie meine Herrin. »Es war nur der Wind. Letzte Nacht hat er heftig geweht und das ganze Haus erzittern lassen.«
»Ja, das dachte ich auch. Aber er hat meinen Namen gerufen.«
»Ich bin sicher, es war nur ein Traum«
»Das kann nicht sein. Ich habe die vergangenen drei Nächte kein Auge zugetan«, erklärte er. »Glaubst du, sie wird mir verzeihen? Was, wenn sie stirbt und mich unverziehen verlässt?«
»Ich bin sicher, Frau Lina weiß, dass es nichts zu verzeihen gibt«, sagte ich. »Machen Sie sich keine Sorgen, Herr. Sie brauchen Schlaf und eine anständige warme Mahlzeit. Ich lasse die Köchin gleich eine feine Suppe kochen, und ich schicke Irli mit heißem Wasser herauf. Sobald Sie gewaschen sind und gegessen haben, werden Sie sich besser fühlen. Und dann können Sie zu Frau Lina, obwohl ich fürchte, dass sie Fieber hat.«
Die arme Seele drückte meine Hand und dankte mir, obwohl ich nicht recht wusste, ob für die Suppe oder die Neuigkeiten, die ich ihm gebracht hatte.
XXXV
Tibor verbrachte den gesamten Vormittag damit, bei Lina zu sitzen.
Ich wurde weggeschickt und nutzte die Gelegenheit, um mich ein wenig in meiner Kammer auszuruhen, die sich vor Vernachlässigung kalt und staubig darbot. Ich war zu müde,um ein Feuer anzuzünden, türmte einfach alle meine Mäntel auf das Bett und legte mich vollständig angezogen darunter. Als ich erwachte, war der Nachmittag angebrochen. Die Wolken zogen sich draußen wieder zusammen, weshalb solche Düsternis herrschte, dass ich glaubte, verschlafen zu haben.
Hastig machte ich mich zurecht und ging zu Linas Zimmer. Sie schlief, und Irli wachte bei ihr. Sie
Weitere Kostenlose Bücher