Land des Todes
Verwüstung ihres Schlafgemachs in ein Ersatzzimmer gebracht. Sie wirkte selbst wie tot; den ganzen Tag lang erwachte sie nicht und rührte sich kein bisschen. Ich versuchte mich der Bestürzung meiner Mutter, Irlis und der anderen Bediensteten anzunehmen, und mich gleichzeitig um meine kranke Herrin zu kümmern. Es bedurfte all meiner Kraft und Überredungskunst, um die restliche Dienerschaft davon abzuhalten, unverzüglich zu gehen.
Tibor traf panisch zu Hause ein, da er gehört hatte, der Zauberer Ezra beabsichtige, seine Gemahlin zu töten. Als ihm geschildert wurde, was sich zugetragen hatte, und er Lina bleich und reglos auf dem Bett liegen sah, da zog er sich in sein Zimmer zurück und wollte nicht mehr herauskommen. Ich glaube, er wusste einfach nicht, was er tun sollte. Ich wusste das auch nicht und hätte mich mit Freuden abgesondert, auf dass man mich in Ruhe ließe, doch da sich alle an mich wandten und sonst niemand da war, hatte ich keine andere Wahl, als die Verantwortung zu übernehmen.
Damek traf kurz nach Tibor ein, verwirrt und besorgt. Er bestand darauf, Lina zu sehen, aber ich ließ ihn nicht in ihr Zimmer. Und ich war nicht in der Stimmung für sein herrisches Gehabe: Ich teilte ihm mit, dass sie todkrank sei und seine Gegenwart zu einem so heiklen Zeitpunkt mehr schadenals helfen würde. Zornig fügte ich die Frage hinzu, weshalb er nicht seinen Pflichten als Lord von Elbasa nachkäme und die Dörfler beruhige, bevor diese mit Heugabeln und Fackeln bewaffnet zur Manse marschieren würden. Darob starrte er mich eine Weile schweigend an, und zu meiner Überraschung ging er ohne weitere Widerworte.
Ich glaube, er tat, was ich gefordert hatte – jedenfalls tauchte die befürchtete aufgebrachte Meute nie an unserer Schwelle auf. Dennoch fragte ich mich, wann wir von den Zauberern hören würden. Ezra war der einzige Zauberer in Elbasa gewesen, und es würde wenigstens einen Tag dauern, bis die Kunde von seinem Ableben die anderen Klans erreichte. Wieder war uns das Glück hold: Am Tag nach Ezras Tod setzte der erste heftige Schneefall ein, und ich schätzte, dass sich die Verbreitung von Nachrichten dadurch verzögern würde. Es gab zwar wenig, wofür man dankbar sein konnte, aber dafür war ich dankbar.
Lina selbst lag besinnungslos da und bekam, während der Wind den Schnee um die Schornsteine wirbelte, von alledem nichts mit. Abgesehen von einem blauen Fleck an der Schläfe zeigte sie keine äußerlichen Anzeichen einer Verletzung. Ihre Atmung ging kaum wahrnehmbar, und sie rührte sich so gut wie nie. Als sich ihr Zustand nach zwei Tagen noch immer nicht verändert hatte, war ich außer mir vor Sorge.
Der Arzt zeigte mir, wie man einem Patienten Nahrung zuführen konnte, indem man ein Tuch mit Suppe tränkte, damit er nicht erstickte. Dies entpuppte sich als zeitraubende und schwierige Aufgabe, und ich war dankbar, als Tibor aus seinem Zimmer kam und anbot, bei Linas Pflege zu helfen. Im Krankenzimmer erwies er sich als einfühlsam und überraschend geschickt, was ich den Lehren seiner Mutter zuschrieb, und ich seufzte wieder einmal beim Gedanken daran, wie es hätte sein können.
Anspannung und Kummer hatten Tibor ausgezehrt, und seine Augen waren gerötet. Er sah aus wie ein Mann in denKlauen entsetzlichen Kummers, wenngleich sich unsere Unterhaltungen auf praktische Dinge beschränkten und er mir seine Gefühle nicht anvertraute. Manchmal hörte ich ihn aus dem Gang mit Lina reden, als könne sie ihn hören, doch ich verstand nie, was er sagte.
Am dritten Tage erlangte Lina das Bewusstsein wieder, was allerdings kaum eine Verbesserung darstellte: Mit dem Erwachen setzte das hohe Fieber ein, das ich gefürchtet hatte, seit sie mit dem Kind niedergekommen war. Ich bekam es als Erste in den frühen Morgenstunden mit: Sie schrie und warf ihre Decken ab, weckte mich und kletterte aus dem Bett. Ich sprang auf, um mich ihrer anzunehmen, und sie schrak voll Grauen vor mir zurück.
»Ich komme nicht mit!«, rief sie. Ihre Stimme klang heiser und brüchig. »Zurück! Weg von mir, abscheulicher Leichenfresser! Breite dein Netz woanders aus!«
»Ich bin es, Anna! Kommen Sie, Frau Lina, gehen Sie zurück ins Bett, sonst holen Sie sich noch eine Erkältung …«
Sie blinzelte, und zu meiner Erleichterung erkannte sie mich. »O Anna, ich dachte, du wärst der Tod, der gekommen ist, um sich meine Seele zu holen! Ich sah ihn mit seinem Netz und seiner Sense, genau da, wo du jetzt stehst. Seine
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