Land des Todes
oder etwas in der Art – und deshalb habe ich den Spiegel zerschlagen …«
Dameks Züge spannten sich an, während ich sprach, dann stieß er mich so heftig von sich, dass ich die restlichen Stufen hinabstürzte. Sogleich stürmte er hinauf und brüllte den Namen seiner Frau mit einer Stimme, die belegt und heiser vor Tränen klang. Einen Augenblick lang war ich verdutzt: Was war das für ein Ehemann, der seine Gattin im einen Moment mit Schlägen und Spott schmähte und im nächsten mit solcher Leidenschaft nach ihr rief? Doch alles, was ich wusste, war, dass ich keine Minute länger in diesem Haus und bei diesen Leuten verweilen wollte.
Ich rannte durch einen breiten Durchgang, fand die Vordertür, entriegelte sie hastig und gelangte endlich hinaus untereinen klaren, fahlen Himmel. Nie hat mir die Morgenluft süßer geschmeckt, und ich schwöre, trotz meines verwundeten Beins rannte ich den Großteil des Weges nach Hause.
V
Meine Rückkehr, humpelnd und blutig, in das Dorf Elbasa sorgte für einiges Aufsehen.
Der Besitzer des Ladens kam sogar aus seinem schäbigen Geschäft, um mit offenem Mund zu bezeugen, wie ich erschöpft über die kopfsteingepflasterten Wege zum Roten Haus wankte. Währenddessen schlichen gar einige der räudigen Hunde herbei und beschnupperten mich. Ich sah mehrere Gesichter, die aus dunklen Fenstern lugten, und auf der schmalen Straße packte eine Frau einen kleinen Jungen in ihrer Nähe und flüsterte ihm ins Ohr. Der Bursche flitzte daraufhin los, so schnell ihn die dicken Beine trugen, um die Neuigkeit meines Wiederauftauchens – wie schon bei meiner gestrigen Ankunft – Anna im Roten Haus zu überbringen.
Anscheinend hatte meine Abwesenheit für einige Unruhe gesorgt. Ein Großteil des Dorfes hatte binnen einer Stunde nach meinem Aufbruch von meinem Vorhaben erfahren und nach eingehender Besprechung entschieden, dass ich dem Untergang geweiht sei. Man hatte die Köpfe geschüttelt und sich ein Urteil über den törichten Stadtmenschen gebildet, der so stur darauf beharrt hatte, den Teufel höchstpersönlich zu besuchen. Mein Wiederauftauchen musste daher für beträchtliche Enttäuschung gesorgt haben – wenngleich ich mir sicher bin, dass mein beklagenswerter Zustand eine gewisse Entschädigung für die nicht eingetretene Prophezeiung darstellte.
Mir war es in diesem Moment fürchterlich egal, was dieLeute dachten. Als ich den Weg zum Roten Haus hinaufschlurfte, standen Anna und ihr Gemahl schon an der Tür. Nie bin ich für nichts mehr als reine Freundlichkeit dankbarer gewesen: Man brachte mich hinein, und ich stellte fest, dass mein Diener ein heißes Bad für mich vorbereitet und mir frische Kleider herausgelegt hatte. Zudem war bereits ein köstlich riechendes Frühstück in Arbeit. Anna begutachtete mein Bein, schürzte die Lippen und reinigte behutsam die Wunden. Ich genoss das Aufhebens, das sie um mich machten, obgleich ich ein solches Verhalten unter gewöhnlichen Umständen eher als lästig empfunden hätte.
Ich badete und aß. Anschließend schlief ich erschöpft auf dem Stuhl vor einem Feuer in dem behaglichen Empfangszimmer ein, während ich ein Buch las. Als ich erwachte, hatte ich Fieber. Anna wurde trotz meines Aufbegehrens – ich hegte kein großes Vertrauen in die Fähigkeiten der einheimischen Doktoren – zutiefst besorgt und ließ den Arzt rufen, der nicht weit entfernt im Dorf lebte. Er traf am späten Nachmittag ein und entpuppte sich als schwermütiger Mann von etwa sechzig Jahren, der meinen Puls prüfte, mir unter die Lider blickte und danach die Bisswunden an meiner Wade untersuchte. Meine nervösen Nachfragen ergaben, dass er seine Ausbildung in der Stadt genossen hatte, und ich entspannte mich ein wenig. Er verkündete, dass ich an einem Nervenschock und Unterkühlung leide. Zudem seien die Wunden leicht entzündet und könnten sich infizieren, würden aber mit richtiger Pflege tadellos verheilen. Anschließend ließ er mich zur Ader und gab mir einen Trank, den ich noch am gleichen Abend einnehmen sollte. Zu guter Letzt meinte er, dass ich eine Woche lang das Bett hüten müsse und er am nächsten Tag wieder nach mir sehen würde.
Ich fühlte mich gelangweilt und reizbar, und wann immer ich über mein jüngstes Abenteuer nachdachte, verzehrte mich die Neugier. Wer waren diese Leute? Man hatte mir beigebracht, bei den Menschen aus dem Land des Todes – oderdem Schwarzen Land, wie sie selbst es nannten – stets auf derbe Manieren und
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