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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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paar Tagen hatten sich noch Schneeflocken unter den Regen gemischt. Der Frühling ließ in diesem Jahr auf sich warten.
    Im Pförtnerhäuschen saß eine Uniformierte über eine Zeitung gebeugt. Irene Böhm, ein altes Schlachtross der Münsteraner Polizei, die kurz vor ihrem Ruhestand war. Ihr halbes Leben hatte sie auf der Straße gearbeitet, und quer über ihr Gesicht verlief eine breite Narbe, die sie sich mal bei einer Messerstecherei zugezogen hatte. Seit ein paar Monaten hockte sie nun im »wohlverdienten Vorruhestand«, wie sie ihren Job an der Pforte nannte. Hambrock hatte beobachtet, wie sie seitdem um mindestens zwei Konfektionsgrößen auseiandergegangen war. Auch wenn sie es nicht zugab, fragte er sich, ob ihr das Leben im Streifendienst nicht doch insgeheim fehlte.
    Auf einem kleinen Monitor neben der Telefonanlage lief eine Talkshow, doch Irene achtete nicht darauf. Sie war in den Lokalteil der Zeitung vertieft. Auch Hambrock hätte sie beinahe übersehen. Sie ließ ihn passieren, und er streckte den Kopf in ihren Raum hinein.
    »Hallo, Irene«, sagte er. »Wie läuft’s?«
    »Muss ja. Du weißt doch, wie’s ist. Wenn wir eines Tages ohne Zipperlein aufwachen, dann sind wir tot.«
    »Wem sagst du das. Sind aus meiner Gruppe viele im Haus?«
    »Ach was, fast keiner. Die machen alle frei. Du hast doch auch frei, oder? Kannst es wohl einfach nicht lassen.«
    »Nein, nein. Ich geh nur ganz kurz hoch, um nach dem Rechten zu sehen. Danach komme ich noch mal vorbei. Wenn du dann noch Kaffee in der Thermoskanne hast, lass ich mich gerne einladen.«
    »Ich hab auch noch ein paar Windbeutel da. Komm ruhig vorbei, und lenk mich ein bisschen ab, langweilig genug ist es hier.«
    »Das mach ich.« Er klopfte gegen den Türrahmen und wandte sich zum Gehen.
    »Ach, Hambrock. Fast hätte ich’s vergessen. Da war ein Junge für dich hier. Vierzehn, schätz ich mal.«
    »Ein Junge? Was wollte er?«
    »Dich sprechen. Meinte, er kennt dich.«
    »Hatte der auch einen Namen?«
    »Ja. Ich hab ihn irgendwo …« Sie setzte ihre Lesebrille auf und durchstöberte die Zettelchen auf ihrem Schreibtisch. »Gerade hatte ich ihn doch noch. Er sagte, er kennt dich von einer Ermittlung. Ich hab das so verstanden, dass du seinen Vater in den Knast gesteckt hast.«
    »War das Fabio?«, fragte Hambrock überrascht. Der Junge aus der Coerder Hochhaussiedlung, mit dem Hambrock lange am Küchentisch gesessen hatte, nachdem sein Vater abgeführt worden war.
    »Fabio Deiters«, las Irene Böhm den Namen vom Rand ihrer Zeitung ab. Dann schob sie sich die Lesebrille in die Haare. »Ich hab gesagt, du bist nicht da, und keiner weiß, wann du heute reinkommst. Er soll einen Termin machen. Aber er wollte sich nicht abwimmeln lassen.«
    »Hat er gesagt, worum es geht?«
    »Nein. Aber am besten fragst du ihn selbst.«
    Irene stand auf und ging zum Fenster. Sie winkte ihn zu sich heran und deutete nach draußen auf die Rückseite der Dreifaltigkeitsschule. Ein Basketballkorb hing an der Wand, und ein Jugendlicher mit Turnschuhen und Kapuzenpulli dribbelte einen Ball über den Asphalt.
    »Er wirft Körbe. Seit zwei Stunden schon. Als würde er dafür bezahlt.«
    »Seltsam.« Hambrock betrachtete den Jungen. Seine Bewegungsabläufe waren koordiniert und zielstrebig. Es wirkte beinahe trotzig, wie er dort Korb für Korb warf.
    »Seit zwei Stunden, sagst du?« Er schüttelte den Kopf. »Ich werd gleich mal rübergehen. Aber zuerst bin ich oben. Hol schon mal die Windbeutel raus, Irene, dann plaudern wir nachher ein bisschen. Ich will meinen freien Tag doch genießen.«
    Auf den Fluren seiner Abteilung war kaum eine Menschenseele. Die Bürotüren der Kollegen waren geschlossen.
    Nur am Ende des Flurs stand eine einzelne Tür einen Spalt weit offen. Das Büro von Guido Gratczek. Hambrock schob die Tür langsam auf. Sein Kollege, sonst immer übertrieben gut gekleidet, hatte heute sein Jackett abgelegt und die Hemdsärmel hochgekrempelt. Ein sehr seltener Anblick. Offenbar war Hambrock die Überraschung anzusehen, denn Gratczek sagte: »Ich weiß, ich sollte eigentlich bei der Staatsanwaltschaft sein, aber der Termin ist ausgefallen.«
    Hambrock gab einen unbestimmten Laut von sich. Er konnte seinen Kollegen ja schlecht fragen, warum der sich wie ein normaler Mensch verhielt. Auch wenn das sonst so gut wie nie vorkam.
    »Wie war’s im Gericht?«, fragte Gratczek.
    »Wie gewöhnlich. Es gibt Angenehmeres.«
    »Ich schätze mal, die Verteidigung wollte einen

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