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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Hambrock sagte: »Ach, Henrik, könntet ihr das bitte ohne mich machen? Ich bin für eine Stunde weg.«
    »Wieso bist du weg? Wo denn?«
    »Eine dringende Angelegenheit. Privat. Sorry, aber das ließ sich nicht verschieben. In einer Stunde bin ich wieder hier, versprochen.«
    Dann verabschiedete er sich und ging hinunter zum Parkplatz des Präsidiums. Unter einem Vordach stand eine kleine Frau, die sich frierend den Mantelkragen hochschlug. Es war Mechtild Bruns, die Leiterin des Jugendzentrums in Gertenbeck. Als sie ihn vor dem Eingang entdeckte, tauchte ein warmherziges Lächeln in ihrem Gesicht auf. Sie ging ihm eilig entgegen und reichte ihm die Hand. Hambrock schlug ein.
    »Mechtild! Vielen Dank, dass du hergekommen bist. Das weiß ich wirklich zu schätzen.«
    »Ach was, das ist doch selbstverständlich. Du hast bestimmt eine Menge zu tun im Moment?«
    »Ja. Immer noch der Fall Marius Baar. Aber wir machen Fortschritte.«
    »Dann gibt es einen neuen Täter? Und die drei Jugendlichen sind doch nicht für seinen Tod verantwortlich.«
    Hambrock antwortete mit einer unbestimmten Kopfbewegung, was Mechtild Bruns mit einem Lachen quittierte. Er sah zur Dreifaltigkeitsschule hinüber. Fabio dribbelte seinen Ball über den Asphalt und warf dann zum Korb. Diesmal ging der Wurf daneben, der Ball prallte am Ring ab und fiel zu Boden.
    »Fabio!«, rief Hambrock. »Es geht los!«
    Er schnappte sich den Ball und lief ihnen entgegen. Dabei strahlte er übers ganze Gesicht. Er erinnerte Hambrock an einen jungen Hund, der ein Stöckchen zurückbringt.
    Sie stiegen ins Auto und fuhren aus der Innenstadt heraus. Der Sonnenhof lag jenseits eines Gewerbegebietes hinter einem Wäldchen verborgen. Die Nähe zur Stadt war dort kaum spürbar. Es war ein altes Münsterländer Fachwerkhaus, ein ehemaliger Bauernkotten, der vom Diakonischen Werk betrieben wurde. Richtig idyllisch wirkte das Gelände. Ein großer Garten mit einem Gemüsebeet gehörte dazu, hohe Eichen, die das Gebäude umsäumten, und dahinter gab es einen kleinen Bach und ein Rapsfeld, das gerade zu blühen begann. Hambrock sah sich zufrieden um und bemerkte dabei den Basketballkorb, der am Scheunentor hing.
    Er legte Fabio den Arm um die Schulter und folgte Mechtild Bruns in die alte Tenne, die zu einem Aufenthaltsraum umgestaltet war. Eine Tischtennisplatte stand herum, alte Sofas, sogar ein Billardtisch. Mitten im Raum brannte ein Herdfeuer, das die feuchte Kälte des Frühlings vertreiben sollte, die von draußen in das alte Gemäuer zog. Eine Frau mit Cordhosen und Strickjacke hockte vor dem Feuer und rauchte eine selbstgedrehte Zigarette. Als sie die Gäste eintreten sah, stand sie auf und hieß sie herzlich willkommen.
    »Du bist also Fabio«, sagte sie und lächelte den Jungen an. »Schön, dich kennenzulernen. Wir haben hier einen Bewohner, der heißt Fabian. Aber euch wird schon keiner verwechseln. Fabian hat tiefschwarzes Haar und kein blondes wie du. Du wirst ihn mögen, er spielt gerne Basketball.«
    Sie kehrte zum Herdfeuer zurück und warf die Zigarettenkippe in die Flammen. »Kommt, setzt euch zu mir. Bei diesem Regenwetter kann es verflucht ungemütlich werden in dem alten Haus. Aber am Feuer lässt es sich aushalten.« Zu Fabio sagte sie: »Wir sitzen oft abends hier und erzählen uns Geschichten.« Und mit einem Lachen fügte sie hinzu: »Aber wenn dir das zu öde ist – der Heizkörper im Fernsehraum ist der beste im ganzen Haus.«
    Hambrock ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Alles wirkte einladend. Es war ein schönes Zuhause. Fabio wäre hier gut aufgehoben.
    »Dann werde ich euch mal allein lassen«, sagte er. Und an Mechtild gewandt: »Danke, du hast was bei mir gut.«
    »Kein Ding. Ich regel alles und ruf dich später an.«
    Fabio trat Hambrock gegenüber und lächelte scheu. Abschied lag in der Luft, das war deutlich zu spüren.
    »Du passt auf dich auf, ja?«, bläute Hambrock ihm ein.
    »Das mache ich. Versprochen.«
    Hambrock boxte ihm in die Seite, dann umarmte er den Jungen. Fabio schien sich nach dieser Umarmung gesehnt zu haben. Er klammerte sich regelrecht an ihn. Sein Körper war viel schmaler und zerbrechlicher, als es in seinen weiten Kapuzenpullis zu ahnen war. Hambrock kämpfte gegen seine Gefühle.
    »Kommen Sie mich mal besuchen?«, fragte Fabio, nachdem er sich aus der Umarmung gelöst hatte.
    »Das mache ich. Davon kannst du ausgehen.«
    Hambrock bemerkte die beiden versonnen lächelnden Sozialarbeiterinnen, räusperte

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