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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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sich und trat einen Schritt zurück.
    »Und jetzt mach dich mit deinem neuen Zuhause vertraut. Ich muss leider wieder an die Arbeit.«
    Er verabschiedete sich und kehrte zum Wagen zurück. Ehe er einstieg, nahm er sich die Zeit, den Blick noch mal in Ruhe über den Kotten und die Natur schweifen zu lassen.
    Zurück im Präsidium ging er gemeinsam mit Keller in die Kantine, um mit ihm beim Mittagessen über den Fall zu diskutieren. Noch waren nicht alle Zeugen aus dem Zug befragt worden, doch bislang sah es so aus, als wäre Mikey nicht darin gewesen. Hambrock wusste trotzdem nicht, ob er Mikey und Nathalie Glauben schenken sollte. Irgendwie passten ihre Aussagen und die der Familie Baar nicht richtig zusammen.
    Sie beschlossen, nach dem Essen nochmals nach Gertenbeck zu fahren, um sich mit Nicole Baar zu treffen. Vor allem ging es um ihre Darstellung der Versöhnung zwischen Vater und Sohn. Die unterschied sich nämlich völlig von der Darstellung ihres Vaters. Und von der Nathalies.
    Nicole empfing sie am frühen Nachmittag in der Familienvilla. Sie hatte Kaffee gekocht und führte die beiden Kommissare ins Esszimmer. Es schien sonst keiner zu Hause zu sein.
    »Wir hätten auch in die Firma kommen können«, sagte Keller. »Sie hätten hierfür nicht extra das Unternehmen verlassen müssen.«
    »Nein, nein. Das geht schon in Ordnung«, sagte sie. »Hier haben wir mehr Ruhe. Ich hoffe, der Kaffee ist gut?«
    Hambrock nippte an der Tasse. Der Schlag der alten Wanduhr war zu hören. Ansonsten herrschte Grabesruhe.
    »Wir sind hergekommen, um noch einmal über die Geschehnisse in den Tagen vor dem Übergriff zu sprechen«, sagte er. »Frau Baar, ich fürchte, Sie haben uns nicht ganz die Wahrheit gesagt.«
    »Wie soll ich das denn verstehen? Natürlich habe ich Ihnen die Wahrheit gesagt.«
    »Nicht, was die Versöhnung zwischen Marius und Ihrem Vater angeht. Der Bruch zwischen den beiden war nicht endgültig, wie Sie behauptet haben. Ganz im Gegenteil. Es schien sich alles zu bereinigen.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?« Sie stieß ein spöttisches Lächeln aus. »Sie glauben doch wohl nicht daran, dass diese alberne Versöhnung, oder wie man es nennen will, tatsächlich einen Wert hatte.«
    »Ihr Vater hat uns gesagt, Marius hätte es sich anders überlegt. Er wollte nach Gertenbeck zurückkehren. Es gab einen Deal, dass Nathalie als Schwiegertochter akzeptiert werden würde. Daraufhin hat er die Pläne, nach Berlin zu gehen, über Bord geworfen.«
    Nicole Baar warf gelangweilt den Kopf zu Seite.
    »Wie gesagt, ich habe keine Ahnung, was die beiden da miteinander ausgemacht haben«, sagte sie. »Mein Vater hat mit mir nicht darüber gesprochen. Aber das war auch gar nicht wichtig. Der Fall war klar, es hatte sich im Grunde nichts geändert. Marius war verliebt. Er hätte alles getan, um diese Nathalie zu behalten. Und dieser Sprengstoff wäre früher oder später hochgegangen.«
    »Trotzdem«, sagte Keller. »Sie hatten den Sieg praktisch schon in der Tasche. Und dann taucht Marius hier wieder verheult auf und übernachtet in seinem alten Zimmer.«
    Sie betrachtete ihn distanziert. »Wenn Sie denken, dass mich das umgehauen hat, dann unterschätzen Sie mich. Ich hätte ihm schon ins Gewissen geredet, davon können Sie ausgehen. Ihn darin bestärkt, dass es ohne Nathalie nicht geht. Ich wäre ihre beste Freundin geworden, wenn es nötig gewesen wäre. Aber mir war klar: Diese Frau kommt niemals nach Gertenbeck. Schon gar nicht nach dem, was passiert ist. Ich habe angenommen, dass sie Marius schon davon überzeugen wird, dass er Gertenbeck hinter sich lassen muss.«
    »Aber was wäre gewesen, wenn sich Nathalie von Ihrem Bruder getrennt hätte? Die Beziehung wäre vorbei gewesen – und all Ihre Pläne hinfällig.«
    »Nein, das denke ich nicht. Zum einen weiß ich durch meine Nachforschungen, dass sie ebenfalls bis über beide Ohren in Marius verliebt war, weshalb auch immer. Zum anderen: Hätte Nathalie meinen Bruder tatsächlich abgeschossen, wäre er zusammengebrochen. Da bin ich ganz sicher. Dann hätte er sich nämlich nicht länger vor seinem eigenen Versagen verstecken können. So oder so. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich das Thema erledigt hätte.«
    Die Kommissare sahen sich an. Wahrscheinlich hatte Nicole Baar sogar recht mit ihrer Einschätzung. Trotzdem war die Nüchternheit, mit der sie über ihren toten Bruder sprach, sehr ungewöhnlich.
    »Sie mögen mich für herzlos halten«, meinte Nicole,

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