Landleben
sich ihre Enkelsöhne, jeder im Blazer, mit gewirkter
Krawatte und feinem Button-down-Oberhemd, der Reihe
nach an den Alteren vorbei, um dieser Ältesten mit ihrem
starren blauen Haar und dem schwarzen Sommerstrohhut
Ehre zu erweisen – mit einem seitlich unter der breiten
Krempe vorbei geschmuggelten Kuss. Kein Pascha, kein
Mafia-Boss könnte beflissene Gunstbezeigungen wür-
devoller entgegennehmen. Owen stellt sich all das Geld
vor, das durch den lebendigen Körper der Achtzigjähri-
gen festgehalten wird, wie Tonnen von Weizen, die darauf
warten, aus der Schütte eines Getreidehebers zu fließen,
unterdessen tröpfelt auch so genug: Die Jungen mit den
Blazern haben die honigbraune Tönung, wie man sie in
den Winterferien auf den Bahamas oder beim Skifahren
erwirbt, und die Mädchen, auch die im schwierigen Alter,
mit Zahnspange und Akne, tragen teure Kleider zur Schau
sowie belebende Hoffnungen auf gute Schulen und einen
guten Wert auf dem Heiratsmarkt. Reich sein heißt ge-
sund sein.
Ihre Eltern, die mittlere Generation, lassen die Lesun-
gen, die Gebete der Gemeinde und die Predigt (Ja, er ist
auferstanden, so wie er in unserem Leben aufersteht, an unserem
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ganz persönlichen Osterfest!) mit dem höflichen, leicht lä-
chelnden Ausdruck über sich ergehen, mit dem sie auch
die unzähligen Aufsichtsratssitzungen und feuchtfröh-
lichen gesellschaftlichen Zusammenkünfte hinter sich
bringen, die ihnen ihre Mitgliedschaft im Netzwerk der
gewinnbringend Engagierten sichern. Owen bewundert
insbesondere zwei Wesenszüge der männlichen Reichen:
ihre Fähigkeit, immer noch höflicher zu werden, je mehr
sie der Gegenstand ihrer Höflichkeit verärgert, und ihre
Fähigkeit, Schuhe zu tragen, nicht einfach Mokassins, son-
dern leichte Halbschuhe aus feinem Leder, ohne Socken.
Owen, der bescheidenerer Herkunft ist, kann weder seine
Verärgerung verbergen noch Schuhe, klebrige und unsau-
bere, an seinen Füßen ertragen, ohne Socken – je wolli-
ger, desto besser. Reiche Männer und Jungen versagen
sich den Komfort von Socken, so seine Interpretation, um
ihre rassigen Fußgelenke vorzuzeigen. Zudem bewundert
Owen die Fähigkeit der Reichen beiderlei Geschlechts, bei
Cocktailpartys enigmatische Partyhäppchen in den Mund
zu stecken und sie dann, wenn sie merken, wie teuflisch
scharf gewürzt sie sind, nicht auszuspucken, sondern sie
stattdessen ergeben und unter Qualen hinunterzuschlu-
cken und sich für eine noch ferne Zukunft S
h
peiserö ren-
krebs einzuhandeln.
Auf den beiden gedrängt vollen Kirchenbänken sind
alle Lebensstadien vertreten, von unheilbarer Hinfällig-
keit über alkoholbedingte Fettleibigkeit, tief eingekerbte
Hautschäden durch Sonnenstrahlen, im Fitness-Studio ge-
stählte Muskulatur, durch Kuren verstärkte Schlankheit,
blühendes Teenagerleben und plötzliche Wachstums-
schübe, pubertäre Verlegenheit und Albernheit, kindliche
Pummeligkeit, in lähmende Langeweile gehüllt, Krab-
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belkinderstumpfsinn, kurz vor dem Wutanfall, bis hin zu
dem kürzlich getauften Säugling, der in milchiger Glück-
seligkeit auf dem Schoß seiner jungen Mutter schläft. Die
Wainthrops stellen eine Synopse des Lebens und seines
tragischen Fortschreitens dar, doch dieses Bild wird über-
lagert von Anmut, guten Manieren und Stammesbewusst-
sein – einem Wert, der größer ist als die Summe seiner Tei-
le. Denn die Reichen bleiben verschont vom vereinzelten
ruhelosen Umherziehen, von der Flucht aus der schlecht
ausgestatteten Kleinfamilie in die amerikanische Wüste:
billige Unterhaltung, Parkplätze bei den Einkaufszentren,
groß wie Seen, üble Landstraßenbars, wo es jeden Mitt-
wochabend Karaoke gibt, verlassene Stadtzentren und ab-
geholzte Wälder, wechselnde Jobs und wechselnde Part-
ner, magere elektronische Zerstreuungen wie Filme voller
Autounfälle und Explosionen, und Fernseh-Comedies,
die wie in einem trüben, rissigen Spiegel die linkische
Komödie unseres verzweifelten täglichen Improvisierens
widerspiegeln, jenseits der ordnenden Prinzipien von Kir-
che, Stadt und Familienhierarchie. Nur die Reichen – und
nicht einmal alle, denn manche rebellieren plötzlich, und
andere stürzen durch Selbstvernachlässigung in niedrige-
re Kasten ab – können sich die alten Strukturen leisten,
die uns von der Wiege bis zum Grab tragen, wohlgenährt,
gut gekleidet und geachtet. Für Owen, der als Einzelkind
dann am
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