Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
XXXIX
Aufregung inTatti . Eine wahre Don Camillo- und Peppone-Geschichte. Nur, dass Don Camillo ein Russe ist und Peppone ein dreiköpfiger Gemeinderat.
Der Russe kauft ein kleines Weingut. Das ist schon für sich eine Sensation. Russen gab es hier bislang nicht. Und da es ein sehr netter und sehr reicher Russe ist, lädt er mit hübschen, eigens für ihn kreierten Einladungskarten das ganze Dorf zu einem Fest ein. Und weil er auch weiß, was sich gehört, bekommen die kommunalen Würdenträger eine gesonderte Einladung.
Und damit begann das Problem. Der Gemeinderat beraumte eine Sondersitzung ein. Die drei Mitglieder diskutierten über Stunden, ob sie der Einladung folgen könnten. Was will der Russe? Warum lädt er sie offiziell ein? Will er das ganze Dorf – und damit auch sie – irgendwie kaufen? Gehen sie, wenn sie hingehen, eine Verpflichtung ein? Lassen sich ungewollt vor irgendeinen Karren spannen? Ist es nicht besser, höflich abzusagen? Oder erfordert es ihr Pflichtbewusstsein, dabei zu sein, um herauszufinden, warum sie eingeladen wurden?
Am Ende siegte die - als Pflicht verbrämte -Neugierde. Einstimmig wurde beschlossen, es sei zwingend, bei dem Fest zu erscheinen.
Aber, nächstes Problem, wie antwortet man auf so eine elegante Einladungskarte?
Ein Anruf geht gar nicht. Keiner spricht russisch. Ein einfacher Briefbogen wirkt arm und dörflich.
Die Lösung war grandios. Sie recherchierten, welcher begnadete Grafiker die Einladung gestaltet hatte und engagierten genau den für das Einzelexemplar ihrer Antwort.
Das Fest selbst war wohl beeindruckend (Wir, Prata nicht Tatti zugehörend, waren ja leider nicht geladen.) Mit Hostessen, Dolmetscherin, Live-Musik, Fackeln und überbordendem Büffet.
Das Dorf war an diesem Abend verwaist. Niemand, ob Teenager oder Urgroßmutter, wollte fehlen.
Die letzten Gäste wurden in den Keller zur Weinprobe eingeladen. Dabei: der Gemeinderat.
Fazit der aufopfernden Recherche bis zum frühen Morgengrauen: Der Russe ist nett.
Ob der Gemeinderat kollektiv beduselt war, weiß ich nicht. Wahrscheinlich schon, denn Russen gelten ja, pflegt man seine Klischees, als trinkfest.
Wer da mithalten möchte, darf die Gläser nicht zählen. Aber die „Buschtrommeln“ vermeldeten keine weiteren besonderen Vorkommnisse.
XL
Betrunkene Hornisse n sind, anders als leicht berauschte Tatti-Bürger, auf jeden Fall gefährlich.
Wir saßen mit Rolf und Barbara, unseren Skat-Freunden, bei offenem Fenster im Wohnzimmer. Rolf erzählte gerade, dass er vor Jahren von einer Hornisse gestochen wurde. In wenigen Minuten schwoll sein Körper so an, dass er zum lebenden, aufgeblasenen Michelin-Männchen wurde. Barbara packte ihn mit ihrer Tochter ins Auto und raste hupend zum 15 Kilometer entfernten Krankenhaus, während die Tochter mit einem weißen Taschentuch aus dem Fenster wedelte, um den anderen Autofahrern den Notfall und somit die halsbrecherische Fahrweise auf der engen, kurvigen Straße zu vermitteln.
Noch während wir gebannt zuhörten und uns ein wenig gruselten, schwirrte eine Hornisse im Torkel-Flug herein. Als hätte sie zugehört, stürzte sie sich direkt auf unseren Freund und stach ihn in die Hand.
Wir handelten wie im Trance. Hornisse erschlagen, Wunde einritzen, Blut absaugen, Spezialsalbe drauf und eine Überdosis Kalzium verabreichen.
Fahren wir trotzdem ins Krankenhaus? Rolf meinte, er wolle lieber abwarten.
Also saßen wir zu dritt um ihn rum und redeten betont ruhig und beruhigend. In Wahrheit waren wir mindestens so aufgeregt wie er. Schielten auf seine Hand, die natürlich geschwollen war. Wurde sie dicker? Wurde der Arm dicker? Wurde der ganze Rolf dicker?
Währenddessen diskutierten wir ratlos das seltsame Verhalten der Hornisse. Normalerweise sind es liebe Tiere, die sich leicht, zum Beispiel mit Hilfe einer Zeitung, hinausgeleiten lassen. Was war also mit diesem stechenden Biest los gewesen?
In diesem Moment torkelte die nächste Hornisse herein. Ich weiß, die stehen in Deutschland unter Artenschutz. In Italien aber nicht. Und torkelnde schon mal gar nicht. Also musste auch sie sofort ihr Leben lassen.
Wir schlossen endlich das Fenster, hätten wir auch vorher schon drauf kommen können, und lösten das Rätsel. An der Wein-Pergola hingen noch ein paar letzte Trauben, halbvertrocknet und vergoren. An denen labten sich die Hornissen und waren
Weitere Kostenlose Bücher