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Landpartie mit drei Damen

Landpartie mit drei Damen

Titel: Landpartie mit drei Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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hatte. Sicherheitshalber murmelte er vage: »Hm, wie soll ich sagen, ich warte auf etwas.«
    Der Kurier! Die Nachricht aus seiner Hauptstadt! »Und wann wird das passieren? Wie lange wirst du noch hier sein?«
    »Solange wir uns jeden Tag sehen können, liebste Anne-Marie.«
    »Ich wünschte, du würdest mich hier herausholen«, rief sie leidenschaftlich.
    Noel runzelte die Stirn. Eine solche Wendung des Gesprächs hatte er befürchtet. »Meine Liebe«, sagte er nüchtern, »was würde dein Mann dazu sagen?«
    »Er würde sich scheiden lassen, und es würde mir nicht das Geringste ausmachen.«
    »Anne-Marie, mein Schatz«, sagte Noel, küsste ihre Hand und hielt sie in der seinen. »Ich muss dir etwas erklären. Ich hätte es schon zuvor erklären sollen – ich sehe mich außerstande zu heiraten. Andernfalls wäre es der Traum meiner Träume, dich zu heiraten. Doch aus vielerlei Gründen ist das leider unmöglich. Du musst es mir einfach glauben, Liebste.«
    Und jetzt zieht der Sturm auf, dachte er, eine halbe Stunde hysterischer Anklagen. Er wusste genau, was kommen würde, er hatte alles schon einmal gehört. »Für dich war ich nur ein angenehmer Sommerflirt, aber für mich bist du alles«, und so weiter. Er würde all seinen Takt aufwenden müssen, damit es weiterging wie bisher, und er hoffte sehr, dass ihm das gelingen würde. Denn er fand noch immer, dass Mrs Lace eine unglaublich attraktive junge Frau war.
    Es entstand eine Pause, in der er den herannahenden Sturm zu spüren glaubte. Er duckte sich gleichsam und schlug den Mantelkragen hoch. Doch zu seiner enormen Überraschung und Erleichterung brach kein Sturm los. Mrs Lace schlang die Arme um seinen Hals und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich verstehe durchaus, mein Engel; lass uns nicht mehr daran denken. Wir müssen glücklich miteinander sein, solange das möglich ist, und vergessen, dass irgendwann der Tag kommt, an dem wir Lebewohl sagen müssen, vielleicht für immer. Und wenn dieser Tag kommt, wollen wir tapfer sein und, wenigstens vor der Welt, wenn nicht voreinander, unsere gebrochenen Herzen verbergen.«
    Noel konnte es kaum glauben. Mrs Lace war wirklich die bemerkenswerteste Frau, der er je begegnet war.
    »Ich habe dir immer gesagt, dass sie ungewöhnlich ist«, sagte er am Abend zu Jasper, nachdem er ihm zuliebe das ganze Gespräch noch einmal wortwörtlich wiederholt hatte. Sie verstanden sich in der letzten Zeit wirklich gut. Noel war so dankbar für Jaspers überraschend loyale Intervention in dieser Affäre, dass er den anschließenden Erpressungsversuch vergessen hatte. Seit jenem Nachmittag, als Jasper bei Anne-Marie gewesen war, begegnete sie ihm, Noel, mit geradezu stupender Liebe, wofür er selbst gewiss Wochen schüchternen Werbens gebraucht hätte.
    Jasper beobachtete diese Entwicklung mit diabolischer Freude und konnte es sich nicht verkneifen, Poppy von seinem Vorgehen zu erzählen.
    »Ach, die arme Mrs Lace«, sagte sie und lachte. »Vermutlich hat sie kein einziges Wort geglaubt.«
    »Nein? Und warum ist sie auf einmal so nett zu Noel? Vorher hat sie ihn doch kaum eines Blickes gewürdigt.«
    »Stimmt. Ich finde das furchtbar komisch, aber auch furchtbar gemein von dir, Jasper.«
    »Ach was. Die Kleine blüht richtig auf, und Noel auch. Ich finde, es war ausgesprochen nett von mir, zumal ich sie mit einem Fingerschnipsen für mich hätte haben können, und sie ist ja wirklich zum Anbeißen.«
    »Wirklich, Jasper, du bist unmöglich. Reich mir mal die Seifenschale, bitte.«
    Als sie das nächste Mal alle zusammen waren, konnte Poppy nicht der Versuchung widerstehen, Mrs Lace zuliebe Noel übertrieben ehrerbietig zu behandeln.
    Was Anne-Marie anging, so wurden ihre Träume von Tag zu Tag extravaganter. Sie sah sich mittlerweile als Hauptfigur einer herannahenden Tragödie. Die Abschiedsszene: Noel, gestiefelt und gespornt und ordensgeschmückt, gibt ihr einen letzten Kuss, während ein Adjutant mit zwei Pferden an der Hand in diskreter Entfernung wartet. »Nimm diesen Ring und trage ihn allezeit, er gehörte einst meiner Mutter.« Dann steckt er sich ihren schmalen Handschuh (oder ihr Taschentuch, sie musste unbedingt ein paar neue bestellen) in den Gürtel und galoppiert davon, während sie in eine Ohnmacht sinkt. Es folgen trostlose Wochen, in denen sie die Zeitungen nach Meldungen über seinen Triumph durchsucht. Viel später dann die Hochzeit. Anne-Marie, wie von einem Magneten in seine Hauptstadt gezogen, steht in der

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