Lange Zähne
nach
Fassung, aber auf ihrem Gesicht zeigte sich ihre Furcht.
»Jetzt habe ich Ihnen angst
gemacht«, sagte der Kaiser. »Nein ... nein, mit mir ist alles in Ordnung. Es
ist nur ... Euer Majestät, es gibt keine Vampire.«
»Ganz wie Sie wollen«, erwiderte
der Kaiser. »Doch ich halte es für ratsam, daß Sie Ihre Erledigungen
verschieben, bis es wieder hell ist.«
»Ich muß meine Wäsche waschen,
sonst habe ich morgen nichts Sauberes zum Anziehen.«
»Dann lassen Sie uns Ihre Eskorte
sein.«
»Nein, wirklich, Euer Majestät,
ich komme schon zurecht. Aber wo wir gerade dabei sind, wo ist denn das nächste
Waschcenter?«
»Es gibt eins nicht weit von hier,
aber es ist in Tenderloin. Selbst während des Tages wären Sie dort allein nicht
sicher. Ich muß wirklich darauf bestehen, daß Sie warten, bis es hell ist,
meine Liebe. Vielleicht haben wir bis dahin den Unhold schon vernichtet.«
»Nun«, sagte Jody, »wenn Sie
unbedingt darauf bestehen. Ich wohne hier in diesem Haus.« Sie angelte den
Schlüssel aus ihrer Jeans und öffnete die Tür. Dann wandte sie sich wieder zum
Kaiser. »Vielen Dank.«
»Sicherheit geht vor«, erklärte
der Kaiser. »Schlafen Sie gut.« Der kleine Hund in seiner Tasche knurrte.
Jody ging ins Haus und schloß die
Tür, dann wartete sie, bis sie den Kaiser weggehen hörte. Sie wartete noch
weitere fünf Minuten, bevor sie wieder hinaus auf die Straße trat.
Sie schulterte ihren Wäschebeutel
und machte sich in Richtung Tenderloin auf, während sie dachte: Das ist ja
toll. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis die Polizei auf den Kaiser hört?
Tommy und ich werden umziehen müssen, und dabei haben wir uns noch nicht einmal
eingerichtet! Und ich hasse Wäschewaschen. Ich hasse es! Ich werde unsere
Wäsche künftig in die Reinigung geben, wenn Tommy das nicht übernimmt. Und wir
werden uns eine Putzfrau zulegen - irgendeine nette, zuverlässige Frau, die
bereit ist, nach Sonnenuntergang zu kommen. Und ich kaufe kein Klopapier! Ich
brauche es nicht, und ich werde es auch nicht kaufen. Und es muß etwas wegen
dieses beschissenen Vampirs unternommen werden. Gott, wie ich Wäschewaschen
hasse!
Sie war zwei Blocks gegangen, als
ein Mann aus einem Hauseingang trat und ihr den Weg verstellte. »He, Mommy, du
brauchst wohl Hilfe.«
Sie wirbelte herum und brüllte mit
solcher Bösartigkeit:
»Leck mich am Arsch, du
Saftsack!«, daß der Mann mit einem Aufschrei zurück in den Hauseingang sprang
und ihr dann ein klägliches »'tschuldigung!« nachrief, als sie vorbeiging.
Ich sortiere nicht vor, wütete
Jody im stillen weiter. Es geht alles in die 30-Grad-Wäsche. Ist mir doch egal,
ob die weißen Sachen grau werden ; ich sortiere jedenfalls nicht vor.
Und woher soll ich wissen, wie man Blutflecke herausbekommt? Wer bin ich denn?
Miss Haushaltstips? Gott, ich hasse Wäschewaschen!
Die Kleidungsstücke tummelten sich
spielend umeinander wie Stoffdelphine. Jody hockte auf einem Klapptisch
gegenüber des Trockners, sah sich die Show an und dachte über die Warnung des
Kaisers nach. Er hatte gesagt: »Ich denke nicht, daß es für eine junge Frau
sicher ist, nachts allein auf der Straße zu sein.« Jody konnte ihm da nur
beipflichten. Vor gar nicht allzulanger Zeit hätte sie Todesängste
ausgestanden, wenn sie des nachts allein in Tenderloin gewesen wäre. Sie konnte
sich noch nicht einmal daran erinnern, je bei Tag hier durchgekommen zu sein.
Wo war diese Angst hin? Was war mit ihr passiert, daß sie sich einem Duell mit
einem Vampir stellen, ihm die Finger abbeißen und eine Leiche eine Treppe
hinauftragen und unter das Bett stopfen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken?
Wo waren die Angst und die Abscheu hin? Jody konnte nicht sagen, daß sie ihr
fehlten, sie fragte sich nur, was damit passiert war.
Es war ja nicht so, als ob sie
überhaupt keine Angst mehr hätte. Sie hatte Angst vor dem Tageslicht, Angst
davor, daß die Polizei ihr auf die Schliche kam, und davor, daß Tommy sie
zurückwies und verließ. Neue Ängste und vertraute Ängste, aber die Dunkelheit
machte ihr keine Angst mehr, nicht die Zukunft, und noch nicht einmal der alte
Vampir - und nachdem sie sein Blut geschmeckt hatte, wußte sie jetzt, daß er
sehr, sehr alt war. Sie betrachtete ihn als ihren Feind, und ihr Verstand
schmiedete Pläne, um ihn zu besiegen, aber sie hatte keine wirkliche Angst mehr
vor ihm: Sie war neugierig, aber sie hatte keine Angst.
Der Trockner blieb stehen - die
Stoffdelphine fielen herunter
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