Lanze und Rose
meine Kleine!«, rief er aus und umarmte die junge Frau. »Ich freue mich so, dass du noch ab und zu an mich denkst!«
»Aber ich denke jeden Tag an Euch!«, verteidigte sie sich lachend. »Doch ich weiß auch, dass Ihr sehr beschäftigt seid. Außerdem ist die Straße nach Auchallater sehr lang und in dieser Jahreszeit wahrscheinlich auch sehr unwegsam.«
»Für dich ist mir kein Weg zu lang oder zu schlecht, das weißt du doch, Bea.«
Beatrix errötete und löste sich aus seinen Armen, um sich dem armen Paddy zuzuwenden, der immer noch mit seinen Gaben hinter dem Arzt stand.
»Danke, Paddy!«, rief sie aus und nahm ihm den Nager und die schöne, fette Keule ab.
»Ich dachte, wenn Ihr Gäste habt, könntet Ihr vielleicht ein paar zusätzliche Nahrungsmittel gebrauchen«, stotterte der Mann. »Daher habe ich mir erlaubt, Euch ein wenig Fleisch zu bringen. Der Kranke wird es sicher gebrauchen können, um wieder auf die Beine zu kommen.«
Er musste ungefähr so alt wie Liam sein. Rot vor Verlegenheit wandte er sich an mich.
»Wie geht es ihm denn? Gestern sah er gar nicht gut aus.«
»Weder besser noch schlechter«, antwortete ich mit einem müden Seufzer. »Das Fieber sinkt einfach nicht.«
Paddy trat von einem Fuß auf den anderen und beobachtete verstohlen die schöne Beatrix, die soeben das Fleisch in den Kamin hängte, um es im Rauch aufzubewahren.
»Das tut mir leid«, murmelte er und sah wieder mich an. »Aber Dr. Mansholt ist ein sehr guter Arzt. Wenn er und Beatrix sich um ihn kümmern, sollte es Eurem Mann in einigen Tagen besser gehen.«
»Ich hoffe es.«
Ich drehte mich zu Liam um. Der Arzt beugte sich bereits über ihn.
»Gut«, fuhr Paddy, an Beatrix gerichtet, fort. »Dann werde ich weiterziehen. Ich komme Dr. Mansholt dann in drei Tagen abholen.«
»Oh! Aber nein, mein lieber Paddy«, rief sie aus. »Ihr werdet doch wenigstens auf eine schöne Tasse Tee bleiben? Ich habe auch noch ein wenig Nusskuchen.«
»Wenn Ihr darauf besteht… Dann nehme ich gern ein Stück.«
Es sprang in die Augen: Paddy war sehr angetan von ihr, verliebt sogar. Daher ließ ich die beiden Turteltauben allein und trat zu Dr. Mansholt an Liams Lager.
»Hmmm…«, brummte der Arzt und ließ das Handgelenk des Kranken wieder auf die Decke sinken. »Sein Pulsschlag ist kräftig und regelmäßig. Ich werde einen Aderlass durchführen, um das schlechte Blut herauszuziehen und die Entzündung zurückzudrängen.«
Ich verzog das Gesicht. Dr. Mansholt zog erst Liams eines Augenlid hoch und dann das andere.
»Gegen das Fieber werde ich ihm ein wenig Chinin verabreichen. War ihm während der letzten Stunden übel, oder hat er erbrochen?«
»Nein. Er hat seit zwei Tagen nichts zu sich genommen, daher…«
»Seit zwei Tagen? Ihr müsst versuchen, ihm ein wenig Kraftbrühe einzuflößen.«
»Beatrix sagt, er leide an einer Lungenentzündung.«
Der kleine Mann richtete seinen massigen Körper auf und lächelte mir zu.
»So ist es. Beatrix wäre eine wunderbare Ärztin«, vertraute er mir mit leiser Stimme an. »Aber Ihr wisst ja… Frauen ist der Besuch der Universität verboten.«
Er zuckte die Achseln, betrachtete Liam und presste die fleischigen Lippen zusammen.
»Welche Vergeudung von Talent! Sie besitzt eine unschätzbar wertvolle Gabe. Doch weil sie eine Frau ist, bezeichnet man sie abschätzig als Hexe, um sich zu erklären, woher ihr Wissen stammt. Da könnte man mich ebenso gut einen Hexer nennen. Ein Jammer, dass der Mann sich weigert, in der Frau ein Wesen zu sehen, das ihm ebenbürtig und meiner Meinung nach auf manchen Gebieten sogar überlegen ist. Da die Frau nicht die Körperkraft besitzt, um sich unmittelbar mit der grausamen Welt, die sie umgibt, auseinanderzusetzen, entwickelt sie zum Ausgleich ihre geistigen Fähigkeiten, was der Mann häufig vernachlässigt.«
Er wandte mir seinen gewaltigen Bauch zu und kicherte angesichts meiner verblüfften Miene leise und hämisch.
»Gewiss denkt Ihr bei Euch: ›Der Bursche ist doch nicht recht bei Troste!‹ Diesen Blick habe ich in meinem Leben schon mehr als einmal gesehen. Ich weiß, dass ich auf meinem Wege viel Staub aufwirble, sowohl in Wirklichkeit als auch im übertragenen Sinne«, erklärte er schmunzelnd. »So bin ich nun einmal. Ich habe mich stets geweigert, mich den Denkweisen, welche die Gesellschaft uns aufzwingt, zu unterwerfen. Das … engt mich zu sehr ein, versteht Ihr?«
Ich nickte, obwohl ich mir nicht ganz sicher war. Er setzte
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