Lass es bloss nicht Liebe sein
rostet nicht. Und ich hab die älteren Rechte. Also, nochmal danke, und künftig lassen Sie gefälligst die Finger von Lily.«
William straffte sich mühsam. » Ich denke, das soll sie mir selbst sagen, finden Sie nicht?«
» Wenn Ihr Herz daran hängt«, grummelte Robbie, » aber ich wüsste nicht, was das für einen Sinn haben sollte. Sie liebt mich, und ich liebe sie. Wenn wir wieder in Sydney sind, lassen wir alles hinter uns und fangen nochmal ganz neu an.«
Als William nicht reagierte und ihn stattdessen schweigend fixierte, fuhr Robbie fort.
» Wir werden heiraten. Ich plane, mein Jurastudium wieder aufzunehmen. Also…« Er schüttelte William die Hand. » …nochmal danke, und nichts für ungut. Sie hat sich für mich entschieden.«
» Das glaub ich Ihnen nicht.«
» Glauben Sie, was Sie wollen, aber wenn Sie denken, Sie könnten einfach so in unser Leben reinfunken und mir mal eben mein Mädchen ausspannen, dann sind Sie verdammt schiefgewickelt.«
» Ihr Mädchen! Das klingt, als hätten Sie an jedem Finger zehn.«
Robbie ging darüber hinweg. » Lily ist momentan vielleicht ein bisschen durch den Wind, womöglich hat sie sogar mit Ihnen gepennt, aber das hat sie bloß getan, um mir eins auszuwischen. Weil sie sauer auf mich war.«
» Sie haben sie belogen und betrogen.«
» Lily gehört mir«, schnauzte Robbie ihn an. » Ich hab ihr das Leben gerettet. Sie wäre längst tot, wenn ich mich damals nicht um sie gekümmert hätte. Also sparen Sie sich die dämliche Anbaggerei… Sie können eh nicht bei ihr landen.«
William kämpfte mit dem Wunsch, Robbie eins auf die arrogante Fresse zu geben.
Robbie wandte sich zum Gehen, überlegte es sich kurz entschlossen anders und schnellte gereizt zu William herum. » Ich weiß das. Sie hat es mir selbst gesagt, dass Sie ihr nichts bedeuten. Nichts, null, niente.«
William schaute Robbie nach. Er sank auf einen Stuhl, überwältigt von rasenden Kopfschmerzen und einem zunehmenden Schwindelgefühl. Er schloss die Augen, bemüht, den Schmerz auszublenden.
Nein, das nahm er Robbie nicht ab. Das konnte und wollte er so lange nicht glauben, bis er es von ihr selbst hörte. Bis sie ihn mit ihren schönen grauen Augen anschaute und sagte: » Ich geh zu Robbie zurück.« Seine Kehle verengte sich schmerzvoll.
Im Bad sah es mal wieder chaotisch aus. Ein nasses Duschtuch lag zusammengeknüllt auf den Bodenfliesen, feuchte Fußspuren zeichneten sich auf dem weichen Läufer ab, die Kleenexbox auf der Ablage war durchweicht, Wasser perlte von den Fliesen. William hatte geduscht, soviel stand fest. Und dann war er nochmal weg. Sie setzte sich auf das Bett und ließ sich seufzend zurücksinken. Mist, sie hatten sich wahrscheinlich nur knapp verpasst.
Der Portier hatte keine Nachricht für sie gehabt, der Leihwagen stand jedoch noch auf dem Hotelparkplatz, folglich konnte William nicht weit sein. Sie mochte den Portier nicht noch einmal löchern, ob er in ihrem Fach vielleicht etwas übersehen hätte, stattdessen fragte sie ihn, ob sie das Telefon benutzen dürfe und ob er ihr die Nummer der Polizeidienststelle in Lucca heraussuchen könne.
» Pronto.«
» Äh… buon giorno, ich bin auf der Suche nach…«
Die männliche Stimme ratterte wie ein Schnellfeuergewehr los, vermutlich versuchte der Beamte ihr soeben auf Italienisch klarzumachen, dass er kein Englisch konnte. Sie atmete tief durch und schob nach: » Signor Isyanov?«
Sie schnappte eine temperamentvolle Diskussion zwischen mehreren Männern auf, vermutlich alles Polizisten– es klang, als könnten sie sich nicht einig werden–, dann ein verlegenes Lachen.
» Signor Isyanov, no, mi dispiace .«
» Grazie«, erwiderte sie und legte auf.
Der Portier– der natürlich alles mitgehört hatte– erklärte ihr, dass Signor Isyanov vor etwa zehn Minuten das Hotel verlassen habe. Vielleicht war er bloß kurz zum Lunch gegangen, überlegte Lily. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück und wartete.
Seine Reisetasche lag auf dem Boden unter dem Fenster. Lily bückte sich, öffnete sie und presste ihr Gesicht in seine Kleider, inhalierte seinen Duft. In einem Seitenfach steckte eine Plastikmappe mit seinen Skizzenblocks. Sie setzte sich auf den Boden, öffnete die schmalen Kladden und betrachtete die Zeichnungen. Keine Studien von Händen oder Gesichtern, nicht mal eine heimlich gefertigte Skizze von ihr, sondern Ansichten von irgendwelchen Gegenständen, aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, detailliert
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