Lass nur dein Herz entscheiden
dich kennengelernt habe.“
„Er war gut aussehend und charmant, aber völlig rücksichtslos, nicht wahr? Ich habe mich kürzlich mit deiner Mutter über ihn unterhalten. Sie hat mir ein Foto von ihm gezeigt, das sie aufbewahrt hat. Ein Filou.“
Miriam wollte widersprechen, dann wurde ihr klar, dass Jay recht hatte. Warum war es ihr nie aufgefallen? „Das ist ja sehr interessant, nur hat mein Vater nichts mit uns zu tun.“
„Falsch. Seinetwegen sind wir jetzt in dieser Lage“, verbesserte Jay unnachgiebig. „Und er hat Glück, dass er tot ist!“
Schockiert hörte Miriam die Wut aus Jays Stimme heraus.
„Aber so stehen die Dinge“, sprach er nach einer Weile weiter. „Ich kämpfe gegen das Vermächtnis eines Gespensts. Zumindest verstehe ich inzwischen besser, warum.“
„Warum?“
„Warum du bist, wie du bist, warum deine Freunde vor mir Typen ohne Rückgrat waren, die eine Mutter anstatt einer Freundin gesucht haben. Männer, die damit zufrieden waren, an einem Nasenring geführt zu werden.“
„Sei nicht albern.“ Miriam klang beleidigt.
„Dann hast du dich verliebt. Das war das Letzte, womit du gerechnet hast und was du wolltest. Plötzlich war das Sicherheitsnetz weg. Du hast verstanden, was deine Mutter für deinen Vater empfunden hat, und unbewusst hast du die Schranken hochgezogen. Es war verbotenes Gebiet, gefährlich wie Treibsand. Die Gefühle waren so überwältigend, dass du den Boden unter den Füßen verloren hast.“
Zitterte sie, weil Jay Dinge aufrührte, die sie beharrlich verdrängt hatte? Oder weil sie so wütend war wie noch nie in ihrem Leben? „Halt an. Ich will aussteigen.“
„Du willst davonlaufen? Wieder?“, fragte Jay grimmig.
„Ich bin nicht davongelaufen!“, schrie Miriam laut. „Ich habe dich verlassen, weil du eine Affäre hattest!“
„Du hattest dir eingeredet, dass es so oder so irgendwann passieren würde. Und deshalb hast du es sofort geglaubt.“
„Ich habe euch zusammen gesehen.“ Nur der Umstand, dass Jay den Wagen lenkte, hielt Miriam davon ab, mit den Fäusten auf ihn einzutrommeln. Sie war doch so ein sanftmütiger Mensch. Was war nur aus ihr geworden, fragte sie sich entsetzt. Was hatte Jay aus ihr gemacht? Um sich zu beruhigen, atmete sie tief durch. „Ich möchte jetzt bitte nach Hause.“
Er warf einen Blick auf ihr blasses Gesicht, bog von der hell erleuchteten Hauptstraße in eine ruhige, von Bäumen gesäumte Nebenstraße ab und schaltete den Motor aus.
Bevor Miriam protestieren konnte, hatte sich Jay schon herumgedreht und sie an sich gezogen. Sosehr sie sich auch wehrte, er küsste sie, bis sie schließlich aufhörte, gegen ihn anzukämpfen. Erst da sah er auf und sagte leise: „Du bist zu Hause, Miriam. Hier, in meinen Armen. Du musst es nur glauben.“
„Ich kann nicht.“
„Du wirst es tun.“
Jay klang so überzeugt, so selbstsicher, dass trotz ihrer emotionalen Erschöpfung einen Moment lang wieder heftige Wut in ihr aufstieg.
„Wir gehen heute Abend ins Theater, und hinterher essen wir im Ravencrofts. Ich habe uns einen ruhigen Tisch für zwei bestellt.“
„Es hat keinen Zweck, Jay. Im Grunde weißt du das. Wie es einmal war, kann es nie mehr sein.“
„Ich will nicht, dass es so ist, wie es einmal war. Diesmal wirst du mir dein ganzes Herz schenken, Miriam. Mit nichts anderem werde ich mich zufriedengeben.“
6. KAPITEL
Am nächsten Morgen wachte Miriam um sechs auf, lange bevor der Wecker losgehen sollte. Sie blieb noch unter der Steppdecke liegen und dachte zurück an den Vortag. Ihr Herz schlug schneller, als sie im Geiste Jays markantes Gesicht vor sich sah.
Sie waren in einem Musical gewesen, für das Miriam keine Karten hatte bekommen können, weil es Monate im Voraus ausverkauft war. Natürlich hatte Jay zwei der besten Plätze ergattert, und in der Pause wurden ihnen in ihrer Loge Champagner und Erdbeeren serviert.
Jay hatte sein Auto in der Tiefgarage der Firma abgestellt und ein Taxi zum Theater herbeigewinkt. Nach der Vorstellung ließen sie sich zum Ravencrofts fahren, einem exklusiven und sehr teuren Restaurant im Herzen des West End.
Während des hervorragenden Essens war Jay der Inbegriff des angenehmen Dinnerbegleiters und lenkte das Gespräch auf leichte, amüsante Themen. Hinterher brachte er sie nach Hause und begleitete sie bis zur Tür. Diesmal hatte er ihr einen Gutenachtkuss gegeben, aber nur einen freundschaftlichen, flüchtigen. Daraufhin war er sofort gegangen und in das
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