Last days on Earth: Thriller (German Edition)
sagte er. »War nicht angenehm. Aber du kommst an einen Drachen nicht anders heran. Er hätte dich wahrscheinlich auch sondiert, wenn du nicht in seinen Sachen rumgeschnüffelt hättest. Sie sind von Natur aus misstrauisch.«
»Paranoid, meinst du.« Karla ließ die Hand sinken und seufzte. »Na gut. Ein Memplex-Generator. Ich muss doch völlig irre sein, wenn ich an die Existenz eines solchen Geräts zu glauben beginne.«
»Es war ihm ernst damit.« Raoul parkte den Jaguar unter einer trüben Laterne. Sein besorgter Blick musterte die heruntergekommene Fassade des Hauses, vor dem sie standen. »HOT-POTCH« behauptete die knallbunte, zahnlückige Leuchtreklame des Lokals, die rhythmisch vor sich hin flackerte.
Karla grinste in sich hinein und öffnete die Wagentür. »Keine Sorge. Wir waren schön öfter hier.«
Raoul schloss das Auto ab und folgte ihr. »Wen treffen wir?«
»Sonny. Vadim Sonofabiˇc.« Karla klemmte ihren Rucksack mit dem Ellbogen fest an den Leib und drängte sich durch das volle Lokal zur Theke durch.
Raoul wartete, wie sie ihm bedeutet hatte, in der Nähe der Tür. Er sah sich unbehaglich um. Das hier war eine Nichtmenschen-Lokalität, in der jeder Mensch auffiel wie eine Tulpe im Gemüsebeet, aber Karla bewegte sich durch die Menge, als wäre sie hier zu Hause. Sie grüßte hier, warf da eine Bemerkung hin, klopfte auf eine Schulter und lehnte die Einladung ab, sich zu jemandem zu setzen. Dann hatte sie die Theke erreicht und sprach mit der blondierten Trollfrau, die das Bier zapfte.
»Wir waren schon öfter hier?«, murmelte Raoul. »Wir?«
»He, Großer«, knarrte eine heisere Stimme in der Höhe seines Ellbogens. »Wo haste deine Freundin gelassen?«
Raoul senkte den Blick und starrte in die gelben Augen des Kobolds, der mit einem Bierglas in der Hand neben ihm stand. »Karla?«, fragte er zurück.
»Nee, Lady Gaga!« Der Kobold rülpste. »Sonny hat nach ihr gefragt.«
»Sie ist hinten.« Raoul deutete über die Köpfe der Gäste hinweg zur Theke.
»Dann isses ja gut.« Der Kobold gab ihm einen freundlichen Knuff gegen das Knie und wandte sich ab. »Bis die Tage, Brad.« Er verschwand im Gewühl.
Raoul seufzte. Er sah, dass ihn Blicke trafen, dass ihm zugenickt wurde, dass eine dunkelhaarige Frau – eine Banshee? – sogar ganz offen mit ihm flirtete. Anscheinend war er wirklich schon öfter hier gewesen. Er rief lautlos nach Brad, aber der Daimon verharrte in seiner Deckung.
Karla drängelte sich mit zwei Biergläsern in der Hand zu ihm zurück. »Hier«, sagte sie atemlos und drückte ihm eins davon in die Hand. »Ich hoffe, du magst das. Brad hat immer …« Sie verschluckte den Rest des Satzes, weil sie sein Gesicht sah, und trank.
»Dein Date?«, fragte Raoul schroff.
»Sonny war hier, aber ich habe ihn wohl verpasst.« Karla zuckte mit den Achseln. »Ich glaube sowieso nicht, dass er was für mich hat. Er sollte … Ah!« Sie hob die Hand und winkte. »Sonny! Hier!«
Die Menge teilte sich und ließ einen grobknochigen Nichtmenschen durch. Er grinste Karla breit an und klopfte Raoul auf den Rücken. »Hallo, Lieblingsschnüffler.« Er deutete auf die Tür, die in ein Nebenzimmer führte. »Zu laut hier.«
Raoul musterte die Ohren des Nichtmenschen, die groß und behaart waren und ein wenig zitterten.
Das Nebenzimmer war kaum weniger voll, das Stimmengewirr nicht leiser, aber dafür fehlte die musikalische Bedröhnung. Sonny schnaufte und schüttelte heftig den Kopf. »Schrecklich«, sagte er. »Setzen wir uns?« Er steuerte auf einen Tisch in der Ecke zu, an dem ein Bilwisspärchen saß, Händchen hielt und miteinander flüsterte. »He, Korntreter«, sagte Sonny und klopfte auf die Tischplatte. »Das ist mein Tisch. Zieht Leine!«
Der Bilwissmann protestierte, aber seine Freundin zog ihn am Ellbogen weg. Raoul sah den beiden nach, wie sie sich zwei Tische weiter zu einer betrunkenen Dryade setzten. »Bilwisse«, sagte er. »Dryaden und Wurdelaks. Wo kommen auf einmal all die Leute her?«
Sonny hatte sich den besten Platz auf der Bank gesichert und streckte schnaufend die Beine aus. Modergeruch stieg aus seinem fleckigen Mantel. »Im letzten Jahr sind viele von denen in die Stadt gekommen«, sagte er und streckte die Hand nach dem Päckchen Zigaretten aus, das Karla ihm schweigend reichte. »Finden auf dem Land kein Auskommen mehr.« Er riss die Packung auf und steckte gleich zwei Zigaretten auf einmal in den Mund. »Wo habt ihr den Wurdelak gesehen?«, fragte er
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