Last days on Earth: Thriller (German Edition)
sich. »Manchmal habe ich Sehnsucht nach der reinen Luft, die über einem Gebirgszug herrscht. Oder dem salzigen Geschmack der Meeresluft. Weißt du, wie eine frische Goldader duftet?« Er seufzte.
Raoul wechselte hastig das Thema. »Deine Bücher«, sagte er. »Quass, ich fürchte, dass genau das zutrifft, was ich dir angedeutet habe: Der Diebstahl hängt mit einer ganzen Serie zusammen.« Er erklärte dem Drachen, was er am heutigen Tag erfahren hatte.
»Der ehrenwerte Norxis«, sagte Quass. In seinen Nüstern glomm dunkle Glut. »Wir sitzen beide im Vorstand des Dragons Clubs.« Er senkte den Kopf und hauchte in sein Glas. Flämmchen tanzten über den Wein. Raoul beobachtete es mit Interesse. Quass zeigte selten, dass ihn etwas beunruhigte, und wenn er es tat, dann waren die Zeichen gut versteckt und für jemanden, der den Drachen nicht gut kannte, nicht zu lesen. Aber Raoul wusste, dass Quass seine Getränke nur dann in Brand zu setzen pflegte, wenn ihn etwas oder jemand stark beschäftigte oder ärgerte.
»Er ist kein Freund von dir«, folgerte Raoul.
Quass stürzte den brennenden Wein in einem Schluck hinunter und setzte das Glas sanft ab. »Wir sind keine Freunde, nein. Aber seine Sammlung ist bemerkenswert. Er besitzt einige Stücke, die ich ihm gerne abgekauft hätte.« Er zuckte mit den Flügeln. »Gleichgültig. Ich habe sie mir auf andere Weise besorgt.«
Raoul runzelte die Stirn. »Seine Bücher?«
»Nein, natürlich nicht. Die stehen in der Sammlung, gut gesichert, wie ich bisher angenommen hatte. Welche Bücher wurden gestohlen? Werke über Magie? Codices? Grimoires?«
»Etwas von allem.« Raoul zitierte die Liste, und Quass nickte zu jedem Titel.
»Der Codex Tro-Cortesianus. Ich frage mich immer noch, wie Norxis den in seine Klauen bekommen hat. Es gibt überhaupt nur vier erhaltene Maya-Codices auf der ganzen Welt, und dieser ist der schönste.« Quass grollte, und eine kleine Rauchwolke stieg in die Luft. »Dann das Voynich-Manuskript. Auch so ein Unikat. Diese beiden hätte ich ihm für mein Leben gerne abgekauft, und nun sind sie für immer verloren.«
»Ich hoffe, dass wir sie wiederfinden«, sagte Raoul.
Der Drache fuhr fort: »Die Picatrix – oder der Ġāyat al-Hakīm – ist kein Werk, das qualitativ in diese Reihe gehört. Das Grand Grimoire ist da schon interessanter, obwohl ich der Meinung einiger Experten zuneige, dass es sich hier um eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert handelt.« Er schwieg und blickte in die Flammen des Kaminfeuers.
»Quass«, sagte Raoul ruhig, »das ist sicher alles sehr interessant. Aber kannst du dir vorstellen, warum jemand für diese Bücher in ein Museum einbricht und einen Wächter tötet?«
Der Drache schüttelte den Kopf. »Der Codex ist wertvoll, die Handschrift auch. Aber in dieser Kategorie stehen noch ein halbes Dutzend Bücher dort. Ich erinnere mich, dass er zum Beispiel eine der Erstausgaben von Dantes Divina Commedia besitzt – und die ist ja wohl noch da, wenn deine Liste vollständig ist.«
»Also waren es möglicherweise Auftragsdiebstähle?«
»Du meinst, dass ein Sammler seine Sammlung vervollständigen will?« Quass gab ein schnurrendes Geräusch von sich. »Wie klug. Warum bin ich nicht als Erster auf den Gedanken gekommen?«
Raoul musterte ihn mit aufkeimendem Misstrauen. »Und – bist du auf den Gedanken gekommen?«
Quass erwiderte die Frage mit einem unergründlichen Blick. Er schenkte Rotwein in beide Gläser und hauchte über sein Getränk. Und während er die Flammen betrachtete, sagte er leichthin: »Natürlich bin ich das. Aber ich habe den Diebstahl nicht in Auftrag gegeben, Raoul. Keinen der Diebstähle.«
Raoul seufzte. »Kannst du mir und meiner Kollegin einen Termin bei Felsenstein verschaffen?«
Quass legte eine Klaue vor die Augen. »Tu mir das nicht an«, stöhnte er. »Raoul, du bist mein bester Freund unter den Weichen. Aber das darfst du nicht von mir verlangen!«
Raoul lachte und klopfte dem Drachen fest gegen die Panzerung. »Komm, spiel hier nicht den sterbenden Fafnir. Ich werde es zuerst über den Dienstweg versuchen, aber wenn wir scheitern, bist du dran.«
»Meinetwegen.« Der Drache verdrehte die Augen. »Norxis ist wirklich ein unangenehmer Zeitgenosse. Ich warne dich, Raoul. Er ist kein Menschenfreund wie ich.«
»Und trotzdem stiftet er seine Sammlung einem Museum?«
»Das hat keiner im Club verstanden.« Quass grinste. »Aber ich glaube, er wollte damit bloß mir einen Tiefschlag
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