Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Vampirin. »Also kann jeder einfach so hingehen und um eine – eine Blutspende bitten?«
Faustina nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Es ist etwas komplizierter, aber ja – im Prinzip schon. Kein Mitglied einer Gens würde einem Dürstenden diese Bitte ausschlagen, wenn es wie deine Freundin Überschuss produziert.«
Karla stand auf. »Signora Clemente, ich danke Ihnen. Ich muss jetzt jemanden aufsuchen und ihn einen Kopf kürzer machen.«
Faustina beugte sich vor und nahm Karlas Hand. »Meine Liebe, wenn ihr Delicatus jung und unerfahren ist, dann weiß er womöglich nicht, was er angerichtet hat. Seien Sie nachsichtig mit ihm. Ich würde Ihnen in diesem Fall aber jemanden mit Erfahrung empfehlen, der Sie sauber einstellen kann.«
Karla sah sie ungläubig an. »Einen Vampirarzt oder so was?«
Die Vampirin hielt ihrem Blick stand. »Mein Princeps«, sagte sie. »Das Oberhaupt meiner Gens – meiner Familie.« Sie presste die Lippen zusammen und warf Raoul einen schnellen Blick zu. »Ich flehe dich an, Raoul, im Namen unserer Freundschaft. Halte den Mund darüber. Das alles geht Taggeborene nichts an.«
Karla lachte auf. »Für das, was Sie mir gerade so nebenbei erzählt haben, werde ich morgen einen Haufen Geld hinlegen müssen.« Sie schüttelte den Kopf. »Mieser kleiner Dreckskerl.«
Raoul war froh, sie wieder lachen zu sehen. Der erste Schock war wohl vorüber.
»Falls der Verursacher dieses Desasters ein erfahrener Nachtgeborener ist, könnte er das selbst tun?«, hörte er sie nun fragen.
Faustina nickte mit skeptischer Miene. »Aber einem besonnenen Mann passiert so etwas nicht.«
»Besonnen war er auch nicht.« Karla wandte sich Raoul zu. »Ich gehe jetzt zur MID und erledige meinen Papierkram. Heute Abend bin ich notgedrungen privat beschäftigt. Sehen wir uns morgen Vormittag?«
»Ich fahre Sie«, erwiderte Raoul und nickte Faustina zu. »Grüß Nevio von mir. Und danke.«
Sie erwiderte das Nicken mit ernster Miene. Raoul schob Karla in die Türschleuse und hielt einen Augenblick ihre Hand fest. »Wenn ich etwas für Sie tun kann …?«, sagte er leise.
Er hörte ihren leisen Atem. »Nein«, sagte sie dann. »Danke. Das ist nett von Ihnen. Aber ich komme alleine klar.«
Die äußere Tür öffnete sich. Karla schob sie auf und ging zum Ausgang. Raoul folgte ihr langsam. Was für eine seltsame Verwicklung. Die kühle Magistra hatte einen Vampirliebhaber? Das hätte er nie zu denken gewagt.
Du nicht , sagte Brad und kicherte. Du vielleicht nicht, Schäfchen.
Vor seinem Auto wartete Karla. Ihr Blick war verschattet und hatte jeden Anschein von Zorn verloren. Sie sah nur noch müde und ein wenig traurig aus. Er hätte sie am liebsten in den Arm genommen und getröstet, aber stattdessen öffnete er ihr die Wagentür und ließ sie einsteigen.
Feigling.
12. 19. 19. 04. 02.
Mick war nicht an ihrem Platz, was Karla ganz lieb war. Sie riss die Schublade auf, holte ihr aktuelles Weltuntergangsalbum heraus, zog die Ausschnitte, die Helene ihr geschickt hatte, unter der Schreibtischunterlage hervor und überflog sie noch einmal. Sie notierte zu jedem das Datum und gab dann dem ersten, der von einem Störfall in einem schwedischen Kernkraftwerk berichtete, eine »3«; dem zweiten (eine gerade noch abgewendete Beinahe-Katastrophe auf einem Atom-U-Boot) eine »2«, die sie nach kurzem Zögern in eine »2+« verwandelte, und den letzten, der von unerklärlichen Quantenaktivitäten in einer Reihe von Kühlreaktoren berichtete, markierte sie mit einer »1–«. Sie nagte an ihrer Lippe und blätterte zurück. In den letzten Wochen schienen sich die Einser- und Zweierkategorien zu häufen. Was auch immer vor sich ging, es konzentrierte sich derzeit auf die Kernkraftwerke. Sie musste Helene warnen.
Das interne Telefon klingelte. »Van Zomeren, gut, dass Sie noch da sind«, schallte ihr die Stimme ihres Chefs ins Ohr. »Kommen Sie zu mir, es hat einen weiteren Einbruch gegeben.«
»Das Spurensicherungs-Team ist gerade am Tatort«, empfing sie Korngold. »Ein Antiquariat in der Nähe der Kunsthalle. Alarmgesichert, die zuständige Wache hat uns sofort angerufen. Der Besitzer ist auf dem Weg zu seinem Geschäft, er wird Ihnen sagen können, was fehlt.«
Karla griff nach der Adresse und den Notizen, die der Obermagister ihr reichte. »Ich bin unterwegs.« Sie zögerte. »Personenschäden?«
Korngold verdrehte die Augen. »Nein, Magistra van Zomeren. Enttäuscht?«
Während sie
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