Last days on Earth: Thriller (German Edition)
getan?«, fragte Raoul nach einer Weile. Er beugte sich immer noch über ihre Schulter, und seine Wärme war wohltuend. Karla spürte, wie erschöpft sie war. Diese »Blutkrankheit« manifestierte sich wie eine üble Erkältung, mit schwerem Kopf, Gliederschmerzen, Schwindel, Mattigkeit. Nur dass diese Krankheit nicht von selbst verschwinden würde.
»Hm?«, fragte sie. Ihre Gedanken schwammen davon wie kleine Fische.
»Brad«, sagte Raoul. »Was hat er angestellt?«
Karla lehnte sich zurück, genoss die Wärme und Festigkeit seines Körpers und den feinen Duft seines Rasierwassers. »Nichts«, sagte sie träge. »Raoul, ich falle jetzt in Ohnmacht. Nicht, dass Sie sich erschrecken.«
Raoul fing sie auf, als sie vom Stuhl rutschte, und bewahrte sie davor, sich den Kopf zu stoßen. Sie atmete ruhig, wenn auch etwas flach. Er fühlte ihren Puls, der schnell und hart schlug. Raoul kniete auf dem Boden, sah auf Karlas blasses Gesicht hinab und bemerkte das Medaillon, das aus ihrem Ausschnitt gerutscht war. Es flackerte wie ein bösartig zwinkerndes Auge.
Er sah sich um. Es gab in diesem karg ausgestatteten Büro keine Möglichkeit, jemanden hinzulegen. Als er Karla gerade auf den Tisch betten wollte, seufzte sie, regte sich, schlug die Augen auf. »Mist«, flüsterte sie. Ihr Blick suchte seinen. Er sah die Angst in ihren Augen.
»Ich bringe Sie zu Faustina«, sagte Raoul. »Es hat keinen Sinn, Sie so weiter herumlaufen zu lassen. Ihr Freund hat die Sache anscheinend nicht richten können.«
Sie schloss die Augen. »Er war nicht da.«
Raoul schüttelte erbost den Kopf. »Wie konnte er Ihnen das antun und dann einfach verschwinden?«
Karla schüttelte den Kopf. »Geht Sie nichts an.« Sie schob seine Hand beiseite, die sie immer noch stützte, und setzte sich auf. Stöhnte, presste die Lippen zusammen. »Es geht«, sagte sie laut und zornig. »Ich muss nur …«
Raoul packte hastig ihren Arm und stützte sie, als sie wackelig auf die Beine kam. »Langsam«, sagte er. »Ich bringe Sie jetzt sofort zu Faustina. Keine Widerrede!«
Karla schüttelte seine Hand ab und stützte sich schwer auf die Schreibtischkante. Sie stand eine Weile mit hängendem Kopf da, dann richtete sie sich auf und strich ihr Haar aus dem Gesicht. »Alles in Ordnung. Ich habe gleich ein Date im Hotchpotch, und das werde ich nicht absagen.« Sie blickte über die Schulter und sah ihn warnend an.
12. 19. 19. 04. 03.
Er blieb dicht an ihrer Seite, als sie den Gang und die Treppe hinunterging. Ihr Schritt war energisch, sie schien sich wieder vollkommen unter Kontrolle zu haben.
Sie durchquerten die Eingangshalle. Karla nickte dem Pförtner zu, der kurz von seiner Zeitung aufblickte und das Nicken erwiderte.
Die Glastür bremste sie jedoch abrupt. Raoul musste zur Seite springen, um Karla nicht einfach umzurennen. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Stattdessen hörten sie den Verschlussmechanismus zweimal laut klicken, und eine Lampe leuchtete giftgelb auf.
»Magistra van Zomeren? Alles in Ordnung?«, rief der Portier aus seiner Loge. »Ich bekomme hier einen Alarm angezeigt.«
»Alles in Ordnung, Novak«, rief Karla. »Anscheinend eine Fehlfunktion. Können Sie mir bitte öffnen?«
»Moment«, sagte der Portier. Ein Stuhl scharrte über den Boden, seine Tür öffnete sich. »Fehlfunktion? Das hatten wir noch nie.« Er sah die Tür mit gerunzelter Stirn an. Dann beugte er sich hinab, um einen Hebel umzulegen. Das gelbe Flackern erlosch, Karla murmelte: »Na endlich«, und drückte erneut gegen die Tür.
Doch nun gellte ein schriller Sirenenlaut durch die Halle. Karla fuhr zurück, als hätte sie sich verbrannt. Die Lampe blitzte nun abwechselnd grellrot und neongrün, und das Flackern schmerzte in den Augen.
Schon hörten sie trampelnde Füße, laute Rufe, dann waren sie von uniformierten Wachleuten umringt, die ihre Waffen auf sie richteten. »Legen Sie sich hin, Magistra«, brüllte ein vollbärtiger Magister, und eine grimmig dreinblickende Magistra schrie: »Werfen Sie den Stab weg, Dunkelmagus! Hände hoch und keine Zauber – ich schieße sofort!«
Raoul legte seinen vogelköpfigen Stock vorsichtig auf den Boden. Ohne die auf ihn gerichteten Waffen aus den Augen zu lassen, hob er die Hände und sagte: »Ich bin nicht …«
»Er ist mein Partner«, rief Karla im gleichen Atemzug. »Der Alarm ist eine Fehlfunktion.«
»Stellt das Gejaule ab!«, donnerte die Stimme des Obermagisters. »Van Zomeren, was treiben Sie
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