Laubmann 2 - Bärenzwinger
Bebenhausens hartes Gesicht war gerötet.
«Warum haben Sie ihn im Gebetbuch verborgen; was sollte das bezwecken? Dachten Sie, das sei ein intelligentes Versteck?»
Der Professor verzweifelte fast. «Ich habe ihn nicht versteckt, weil ich ihn gar nicht hatte! Und ich weiß nicht, wer ihn in das Gesangbuch gelegt hat! Das war doch nicht mein Gesangbuch. Ich habe einfach irgendeines genommen, als ich die Kapelle betreten habe.»
«Könnte es nicht so gewesen sein, daß Sie die Tür am Tatort verschlossen und den Schlüssel eingesteckt haben?» Glaser gab nicht nach. «Und in der Kirche ist er Ihnen ungeschickterweise aus der Tasche gefallen.»
«Warum glauben Sie mir nicht?»
«Ich frage Sie zum wiederholten Mal: Wo waren Sie am Abend des Mordes?»
«Diese Frage habe ich Ihnen bereits gestern beantwortet. Ich war zuerst beim Abendessen, dann bin ich hierher in den Konferenzsaal zum Vortrag gegangen. Ich habe den ganzen Vortrag mitgemacht!»
«Den gesamten Vortrag?»
«Ja, den gesamten. Und die Diskussion. Alles hab ich mitgemacht.»
«Aber zwischen dem Abendessen und dem Vortrag waren Sie im sogenannten ‹Bärenzwinger›, geben Sie’s endlich zu!» Glaser wirkte richtig ärgerlich. «Vielleicht hatten Sie mit Forster eine alte Rechnung zu begleichen.»
«Im ‹Bärenzwinger› war ich nicht, und Alfonso Forster habe ich vorher nicht gekannt», protestierte Bebenhausen.
Ernst Lürmann hatte sich bis jetzt nur mit Mühe zurückhalten können, hatte die Befragung jedoch nicht unterbrechen wollen. Nun war es freilich an der Zeit, die recherchierten Erkenntnisse einzubringen und zu bestätigen, daß man in die Gottesdienste normalerweise kein eigenes Gebetbuch mitzubringen braucht, sondern sich eines der für die Gottesdienstbesucher bereitliegenden nimmt. So hatte es ihm Philipp Laubmann ausführlich dargelegt. Zudem hatte Lürmann sich das Gesangbuch, das Petrus von Bebenhausen so in Bedrängnis brachte, eingehend betrachtet und festgestellt, daß es genauso aussah wie das Exemplar, das er selbst in der Kirche benutzt hatte, und daß es den «Babenburg»-Stempel auf dem ersten Vorsatzblatt trug.
Indessen war Prälat Albert Glöcklein durch die Flügeltür hereingekommen und ging auf Bebenhausen zu. «Du siehst sehr mitgenommen aus», sagte er besorgt.
Der hat mir gerade noch gefehlt, dachte Glaser und schaute ihn skeptisch an, konnte ihn jedoch schlecht des Raumes verweisen. Mit einem Mal sah er seine Felle davonschwimmen, nachdem er das deutliche Gefühl gehabt hatte, bereits ganz nah dran zu sein an der Lösung des Falls. Petrus von Bebenhausen wäre ein Schuldiger, der dem Aussehen nach ihren Täter-Vorstellungen entsprach. Darin war er sich mit Lürmann einig.
«Ist die Messe denn bereits beendet, Herr Prälat?» stichelte Laubmann.
Glöcklein hatte den Ablauf der heiligen Handlung tatsächlich beschleunigt, war er sonst doch für endlose Gottesdienste bekannt. Laubmann wollte nicht, daß Glöcklein als Vertreter des erzbischöflichen Stuhls in dieser Angelegenheit die Oberaufsicht übernahm. Außerdem sollte eine Andeutung von Kritik durchklingen; denn er mußte an Alphonse Daudets Geschichte von den «drei stillen Messen» denken, in der erzählt wurde, wie ein Priester in der Weihnacht drei Messen allzu schnell hinter sich brachte, weil ihm der Duft des guten Festtagsbratens in die Nase gestiegen war.
«Darf ich fragen, welche Rolle mein Freund Petrus von Bebenhausen hier zu spielen hat?» äußerte sich Glöcklein mit aufgesetzter Freundlichkeit. «Sie sollten wissen, Petrus und ich waren im selben Weihejahrgang. Ich kenne ihn seit langer Zeit sehr gut; und ich würde meine Hand für ihn ins Feuer legen.»
«Wie bei einer mittelalterlichen Feuerprobe?» fügte Laubmann naseweis hinzu. «Wollen Sie etwa ein Gottesurteil herbeiführen?»
Lürmann blickte bittend auf Laubmann, er möge jetzt keinen Vortrag darüber halten, wie man im Mittelalter die Wahrheit zu erfahren trachtete.
«Heben Sie sich die Historie der Wahrheitsfindungen für die Tagung auf!» mahnte auch Glaser.
«Das war gewiß nur eine von Dr. Laubmanns oberflächlichen Redensarten», verteidigte ihn Glöcklein spöttisch.
«Ihr Freund Petrus ist unter einen schweren Verdacht geraten», erläuterte Glaser, «weil wir den fehlenden Schlüssel vom Tatort bei ihm entdeckt haben. Ich erwäge gerade, ob ich ihn festnehmen soll.»
«Weil dieser Schlüssel aus seinem Gesangbuch gefallen ist?» Glöcklein stellte alles in Frage. «Das
Weitere Kostenlose Bücher