Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
heute nach Aventerra zurückkehren und versuchen, mich zu befreien. Und da Ihr zu Recht fürchtet, dass sie Euch besiegen und Euch bestrafen wird für Eure Missetaten, wollt Ihr mich freilassen, um Euch Lauras Milde zu erkaufen und ihrem Zorn zu entgehen!«
Borborons Gesicht verfinsterte sich schlagartig. Angespannte Stille herrschte in dem verpesteten Verlies. Nur das Schmauchen der Fackel im Gang war zu hören. »Alles, was recht ist«, sagte der Schwarze Fürst endlich. »Du besitzt sehr viel Mut, auch wenn es sich dabei nur um den Mut der Verzweiflung handeln kann. Dennoch: Nur wenige haben bislang gewagt, mir Derartiges ins Gesicht zu sagen.« Seine Mundwinkel zuckten. »Aber bedauerlicherweise weilt keiner von ihnen mehr unter uns.«
»Ich habe nichts anderes erwartet«, entgegnete Marius. »Ich bin lange genug Euer Gast und glaube Euch inzwischen recht gut zu kennen.«
»Ach, ja? Dann weißt du also auch, was ich von dir will?«
Auch darüber hatte Marius sich längst den Kopf zerbrochen. Er hatte ja sonst nichts zu tun während der endlos langen Tage. Trotzdem war er zu keinem Ergebnis gelangt. »Nein, Herr«, gab er also unumwunden zu. »Ich habe keine Ahnung.«
Borboron streckte ihm auffordernd die Hand entgegen. »Dein Gewand!«, sagte er dumpf.
»Was?« Marius glaubte sich verhört zu haben. »Was wollt Ihr?«
»Gib mir dein Gewand«, wiederholte der Tyrann ruhig, die Hand immer noch ausgestreckt.
»Aber…« Die Augen des Gefangenen wurden groß. Ungläubig starrte er sein Gegenüber an.
»Wird es bald!« Der Schwarze Fürst gab sich keine Mühe, seine Ungeduld zu verbergen.
Marius gehorchte und zog das zerlumpte Hemd aus, das er schon seit seiner Ankunft in der Dunklen Festung trug. Der Fetzen war starr vor Schmutz und Blut und stank ganz fürchterlich nach Schweiß. »Was wollt Ihr mit diesem Lumpen?«, fragte er, während er ihn Borboron reichte. »Er riecht doch meilenweit gegen den Wind!«
»Ebendrum!« Wieder grinste Borboron. »Deswegen wird es Gurgulius ganz leicht fallen, sich den Geruch der Menschen einzuprägen!« Damit drehte er sich um und verließ ohne ein weiteres Wort die Zelle.
Während die Schritte des Tyrannen in der Ferne verklangen, stand Marius noch eine Weile reglos da. Wozu benötigte dieser schreckliche Drache sein Gewand? Sollte er ihn vielleicht ebenso zerreißen wie seinen Mitgefangenen Silvan, von dessen traurigem Schicksal Alienor, dieses Mädchen, ihm berichtet hatte? Aber dann hätte Borboron ihn doch bestimmt nicht im Verlies gelassen, sondern gleich mitgenommen. Wozu also sollte Gurgulius den menschlichen Geruch kennen lernen? Außer ihm gab es doch keinen Menschen auf Aventerra, nur Laura würde -
Plötzlich verstand Marius Leander. Seine Knie begannen so heftig zu zittern, dass er sich setzen musste, um nicht zu Boden zu stürzen. Übelkeit stieg auf in Marius, und die Zelle begann sich vor seinen Augen zu drehen. Dann wurde es dunkel.
K apitel 28 Eine
grauenvolle
Verwandlung
ie Burg Ravenstein war gänzlich in Schwärze getaucht. In keinem der zahlreichen Fenster war ein Lichtschein zu erkennen. Finstere Wolkenberge türmten sich am Himmel auf und verbargen den Mond und die Sterne. Ein leichter Wind wehte, der für die Jahreszeit überraschend kühl war.
Eine halbe Stunde vor Mitternacht verließ ein schlaksiger Junge die Burg. Trotz der Dunkelheit trug er eine Sonnenbrille auf der Nase. Eine modische Strickmütze bedeckte seinen Kopf. Auf seiner Jacke prangte unübersehbar die Wolfstatze von Jack Wolfskin. Auf dem Rücken hing ein Rucksack.
Beschwingt, beinahe sorglos, tänzelte er die breite Freitreppe hinunter, leise die Titelmelodie von Star Wars vor sich hinpfeifend. Achtlos lief er vorbei an den geflügelten Löwen, die die letzte Stufe flankierten. Auch den Steinernen Riesen, der das Vordach trug, beachtete der Junge nicht. Deshalb fiel ihm auch nicht auf, dass Portak das Granitgesicht verzog und ihn nachdenklich beobachtete, bis der dunkle Durchgang ihn verschluckt hatte, der aus dem Innenhof hinausführte. Dann wandte der reimende Reimund den Blick wieder in die Ferne. Fast sah es so aus, als kneife er die Augen zusammen und runzele besorgt die Stirn.
Als kaum zwanzig Minuten später das große Portal erneut geöffnet wurde, rissen die Wolken etwas auf, sodass das Mondlicht zwei Mädchen und einen Jungen mit Professorenbrille auf der Nase in fahles Licht tauchte. Das größere der Mädchen war hoch aufgeschossen und von athletischer Statur.
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