Laura Leander - 03 Laura und das Orakel der Silbernen Sphinx
Wasser ein, Alienor«, befahl er.
Die Kleine gehorchte und reichte dem Gefangenen den Trank. Als Marius in ihre blauen Augen blickte, meinte er ein aufmunterndes Blinzeln zu bemerken.
Sollte sie mich kennen?, sinnierte er, während er sich an dem Wasser labte. Und vielleicht sogar auf meiner Seite stehen? Oder ist das auch nur wieder eine üble Finte der Dunklen?
»Sicherlich fragst du dich, warum ich dich habe rufen lassen«, sprach Borboron.
Marius setzte den Becher ab. »Nun«, sagte er bedächtig, »wahrscheinlich wollt Ihr mir den Kelch der Erleuchtung präsentieren.«
Der Schwarze Fürst kniff die Augen zusammen. Die Muskeln seines Kiefers zuckten.
»Noch kurz vor dem Ostarafest habt Ihr ja damit geprahlt, dass meine Tochter ihn Euch übergeben würde«, fuhr Marius fort.
»Pass auf, was du sagst!«, warnte der Tyrann. »Selbst meine Geduld hat Grenzen!«
Marius überlegte einen Augenblick. Wenn Borboron in Zorn geriet, war er zu allem fähig. Seine unberechenbare Wut konnte ihn das Leben kosten. Es wäre nicht klug, ihn weiter zu reizen. Doch wenn schon! Dieser elende Hund sollte nur nicht glauben, dass er ihm Angst einjagen würde! »Aber es ist ganz anders gekommen, nicht wahr?«, fuhr er also fort. »Laura ist Euch und Eurer Helferin…« – er schaute sich in dem Saal um, konnte aber nirgends eine Spur von der unheimlichen Frau entdecken – »… entkommen und – «
»Schweig, du Wurm!« Borborons Augen glühten feuerrot auf. »Syrin hat sich übertölpeln lassen. Nur deshalb ist dein Balg uns entwischt!« Gleich darauf hatte er sich wieder in der Gewalt. »Aber das wird nicht noch einmal geschehen, das schwöre ich dir.« Das bleiche Gesicht war von Hohn gezeichnet. »Wir werden deiner Tochter eine ganz besondere Überraschung bereiten, wenn sie zur Sommersonnenwende nach Aventerra zurückkommt. Und du hast das große Vergnügen, diese Überraschung jetzt schon kennen zu lernen.«
Unwillkürlich zuckte Marius zurück. Was hatten diese Teufel nun wieder ausgeheckt? Mit bangem Herzen beobachtete er, wie der Schwarze Fürst zu einer Tür trat, die offenbar auf einen Balkon hinausführte. »Ist alles bereit?«, fragte er ungeduldig.
»Natürlich, Herr«, antwortete eine Fistelstimme. Marius erkannte sie sofort: Sie gehörte dem Fhurhur, dem unheimlichen Schwarzmagier, der ihn mit Hilfe seines teuflischen Elixiers wiederholt in die Todesstarre gebannt hatte.
»Dann möge das Schauspiel beginnen! Wir wollen unseren Gast nicht länger warten lassen. Folge er mir!«, befahl Borboron.
»A ber das ist unmöglich, Laura!« Lukas sah seine Schwester kopfschüttelnd an. Die Falte auf seiner Stirn war nun fast so tief wie der Mariannengraben. »Bei dieser Gravur kann es sich unmöglich um das Rad der Zeit handeln.«
Laura wusste, warum der Bruder das so vehement ausschloss. Schließlich hatte sie selbst ihm erzählt, dass das stilisierte Rad mit den acht Speichen ein uraltes Zeichen der Wächter darstelle und den ewigen Lauf der Zeiten symbolisiere. Lichtalben hatten zu Anbeginn der Welten zwei derart geformte Amulette aus dem gleichen Gold geschmiedet, aus dem auch der Kelch der Erleuchtung gefertigt war. Sie verliehen ihrem Besitzer unermessliche Macht und halfen bei der Suche nach dem Kelch, sollte er verloren gehen. Eines der Radamulette war für den Hüter des Lichts bestimmt gewesen, das andere aber war vor undenklichen Zeiten auf die Erde gebracht und über die Generationen hinweg stets an einen der Wächter weitergereicht worden, die im Zeichen der Dreizehn geboren waren. Auf diese Weise war es schließlich auch in Lauras Hände gelangt. Allerdings hatte sie sich nur kurz daran erfreuen können, denn unglückliche Umstände hatten dafür gesorgt, dass es sich nun im Besitz der Gestaltwandlerin Syrin befand, der gefährlichsten Verbündeten des Schwarzen Fürsten Borboron.
All das wusste Lukas – und deshalb schloss er aus, dass Sigberts Schwert mit diesem Symbol der Wächter verziert sein könnte. Schließlich hätte das bedeutet, dass auch der Drachentöter ein Wächter war.
»Na, ja«, sagte Laura also, um einer fruchtlosen Diskussion aus dem Wege zu gehen, »vielleicht hast du ja Recht.«
Rikas Miene verriet, dass sie keine Ahnung hatte, worauf die Geschwister anspielten. »Ich muss jetzt los«, sagte sie leicht verwirrt. »Sonst macht sich Thomas am Ende noch Sorgen, wo ich bleibe.«
»Thomas?«, fragte Laura.
»Mein Freund und engster Mitarbeiter. Meine rechte Hand, sozusagen. Er
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