Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Erdgeschoss der Burg, der auf den jetzigen Speisesaal zuführte. In den Anfangs jähren hatte der Raum als Rittersaal gedient, wie Laura auf einer Traumreise in die Zeit des Grausamen Ritters mit eigenen Augen gesehen hatte. Auf der Kulisse waren die zahlreichen Rüstungen zu sehen, die damals in den Nischen und Erkern standen. An den Wänden hingen jede Menge Waffen, Schwerter, Dolche, Lanzen, Morgensterne und Hellebarden, die sich nun nicht mehr dort befanden. Als Laura etwas näher an das Gemälde herantrat, fiel ihr auf, dass noch etwas anders war als jetzt, ein winziges Detail nur: Die Wände des Flurs waren zwar immer noch mit Holz vertäfelt wie in früheren Zeiten. Allerdings musste die Wandverkleidung inzwischen erneuert worden sein. Auf dem Bild war in der Nähe der Speisesaaltür ein ebenso hohes, aber kaum erkennbares Rechteck aus feinen Linien im Holz zu sehen, das sie dort noch nie bemerkt hatte.
Eigenartig, dachte Laura.
Was mag das nur sein?
Sie nahm die kaum wahrnehmbaren Einritzungen näher in Augenschein. Direkt daneben stand eine Ritterrüstung. Plötzlich zuckte das Mädchen zusammen. Im Schatten, den die Rüstung an die Wand warf, konnte Laura ein weiteres undeutliches Zeichen im Holz erkennen. Es war kreisrund und etwa so groß wie eine Münze. Das Motiv allerdings konnte Laura nur erahnen: Es zeigte ein Pferd mit zwei Rittern, um die sich ein Kreis aus Buchstaben zog.
Lukas war neben sie getreten. ›»SIGILLUM MILITUM XRISTI‹«, las er erstaunt vor. »›Siegel der Soldaten Christi‹ Das ist das Wappen der Tempelritter!«
In diesem Moment begriff Laura, wie Thephilo Sephem spurlos vom Dachboden hatte verschwinden können.
E lysion war die Erschöpfung deutlich anzusehen. Schweiß lief ihm von der Stirn und rann über seine faltigen Wangen. Dennoch forderte er den jungen Ritter seiner Leibgarde unmissverständlich auf, ihn noch einmal anzugreifen. »Nur zu, junger Freund«, stieß er heftig keuchend hervor. »Nimm keine Rücksicht auf mich! Auch wenn ich um vieles älter bin als du, hast du mich noch lange nicht besiegt!«
Dem hünenhaften Krieger in der weißen Rüstung war sichtlich unwohl in seiner Haut. Mit dem Schwert in der Hand stand er seinem Gebieter im Hof der Gralsburg gegenüber und blickte Elysion unentschlossen an. »Wie Ihr wünscht, Herr«, sagte er sichtlich unangestrengt. »Aber vorher gestattet mir einige Anmerkungen.«
»Ich bitte darum«, ermunterte ihn der Hüter des Lichts. »Genau aus diesem Grund lasse ich mich von dir unterrichten. Du brauchst also kein Blatt vor den Mund zu nehmen!«
»Wohl denn«, hob der junge Ritter an und atmete tief durch. Es schien ihn Überwindung zu kosten, seinen Herrscher zu tadeln. »Ihr habt erhebliche Fortschritte gemacht in den letzten Wochen…«
Elysion lächelte zufrieden.
»… dennoch wundert es mich, dass Eure Attacken ein wenig einseitig sind. Ihr versucht stets auf mein Herz zu zielen, aber gerade das verspricht die geringste Aussicht auf Erfolg.«
Der alte Mann runzelte die Stirn. »Wirklich?«
»Natürlich ist das Herz der verwundbarste Teil des Körpers«, gab der weiße Ritter zu. »Ein einziger Stich genügt, um den Gegner zu töten. Allerdings ist das jedem erfahrenen Kämpfer bekannt. Die Brust wird nicht nur durch die Rüstung bestens geschützt, sondern jeder Krieger deckt diese empfindliche Stelle ganz besonders ab. Es ist deshalb viel aussichtsreicher, auf andere Körperteile zu zielen. Nehmt Euch die Arme oder Beine vor oder den Leib. Die Wunden, die man dem Gegner an diesen Stellen zufügt, sind zwar in den seltensten Fällen tödlich, schwächen ihn auf die Dauer jedoch erheblich – und damit steigen die Aussichten auf den tödlichen Streich.«
»Ich bin wohl etwas aus der Übung.« Der Hüter des Lichts war wieder zu Atem gekommen und lächelte den Ritter verlegen an. »Ich will also deinem Rat folgen. Bist du bereit?«
»Ja, Herr.« Der junge Ritter nahm eine Verteidigungshaltung ein.
Elysion hob das Schwert. Funken stoben, als sich die scharfen Klingen kreuzten. Obwohl der Hüter des Lichts für sein Alter überraschend flink war, wehrte der junge Mann seine Angriffe mühelos ab. »Denkt an das, was wir besprochen haben«, rief er seinem Gegenüber zu, als Elysions Schwertspitze erneut auf seine linke Brust zielte. »Ich dachte, Ihr hättet verstanden, dass ein solcher Angriff selten Erfolg verspricht.« Er schlug die Waffe des Angreifers mit seinem Schwert zur Seite.
»Abwarten!«,
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