Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
entkommen, und so verspürte sie kein Verlangen nach einer erneuten Begegnung mit den Hunden. Zum Glück schienen die Monster sie nicht zu bemerken.
Und die vier Dunklen ebenfalls nicht.
Diese ergötzten sich offensichtlich am Anblick des Autos, das immer tiefer in den Fluten des Nebelsees versank. Ihre hämischen Mienen bestätigten das, was die Wächter von Anfang an vermutet hatten: Syrin und ihre ergebenen Knechte steckten hinter dem Unfall!
Als habe es noch eines letzten Beweises bedurft, wandte sich die Gestaltwandlerin mit einem bösen Lächeln an ihre Vasallen. »Jetzt wird sie das Versprechen einlösen, das ihre Mutter der Feuerschlange gegeben hat«, höhnte sie. »Und wir werden uns ihren Balg holen!«
Laura schrak unwillkürlich zusammen.
Die Feuerschlange?
Wer oder was sollte das denn sein?
Allerdings blieb dem Mädchen keine Zeit, weiter darüber nachzusinnen, denn Syrin streckte die knochigen Arme zum blauen Nachtmittagshimmel, an dem dünne Wolkenschleier aufzogen, legte den Kopf in den Nacken und murmelte eine unverständliche Beschwörungsformel. Nur Sekunden später ging ein Ruck durch ihren ausgemergelten Körper. Ihre Füße lösten sich vom Boden, und wie von geheimnisvollen Kräften getragen schwebte sie das Steilufer hinunter, um dann dicht über der Wasserfläche auf das sinkende Auto zuzugleiten.
Unfassbar!
Anna Leander schien die große Gefahr gar nicht zu bemerken, die, lautlos wie eine Wasserschlange, unaufhaltsam näher kam. Sie nestelte am Sicherheitsgurt ihrer kleinen Tochter, der das Wasser bereits bis zur Brust stand, beugte sich über den Beifahrersitz und kurbelte das Seitenfenster herunter.
Als Anna ihre Tochter unter den Achseln packte, um sie durch das offene Fenster hinauszuschieben, tauchte Syrin neben dem Auto auf. Was dann geschah, versetzte die zum Nichtstun verurteilte Laura in blankes Entsetzen: Die Schwarzmagierin machte eine beschwörende Geste – und wie von Geisterhand schloss sich die Scheibe wieder!
Das durfte nicht sein!
Obwohl die verzweifelte Anna erneut mit aller Kraft an der Kurbel drehte, ließ sich das Fenster nicht einen Millimeter bewegen.
Der Käfer sank immer tiefer.
Nichts, so schien es, konnte jetzt noch verhindern, dass das Auto mitsamt den Insassen von den Fluten verschlungen wurde.
In fieberhafter Erregung blickte Laura zur Landstraße. Wo um alles in der Welt blieben denn die Polizei und der Rettungswagen? Es konnte doch nur noch Momente dauern, bis das Auto versank!
In diesem Augenblick geschah es: Wie aus dem Nichts erschien plötzlich ein hell leuchtendes Wesen neben dem Wagen. Es besaß die Statur eines erwachsenen Menschen, hatte Flügel und trug ein strahlend weißes Gewand. Sein Gesicht war das eines jungen Mannes. Mit ernster Miene streckte der Geflügelte die Hand aus und gebot Syrin mit einer erhabenen Geste Einhalt.
Unglaublich!
Laura wollte ihren Augen kaum trauen, als die böse Gestaltwandlerin beim Anblick des wundersamen Gegners zurückwich und es widerspruchslos zuließ, dass das Wesen – die mächtigen Schwingen auf seinem Rücken ließen Laura unwillkürlich an einen Engel denken! – das Seitenfenster mit magischen Kräften öffnete und ihrem fünfjährigen Selbst aus dem Auto half. Was danach geschah, drohte dem Mädchen das Herz zu brechen: Während ihr jüngeres Ich mit den schmächtigen Armen zu paddeln begann und gleich einem in Panik geratenen Welpen auf das Ufer zustrebte, wandte sich der Geflügelte an ihre Mutter, die ihn flehentlich anschaute. Doch das engelsgleiche Wesen schüttelte nur traurig den Kopf und hob hilflos die Schultern, als wolle es sagen: Es tut mir leid, Anna Leander, aber dir kann ich leider nicht helfen!
Dann formten seine Lippen Worte, die Laura aufgrund der Entfernung nicht verstehen konnte. Doch auf dem Gesicht ihrer Mutter erschien nach einem kurzen Moment des Begreifens ein wehmütiges Lächeln, gerade so, als füge sie sich widerstandslos in ihr Schicksal.
Auch der Geflügelte lächelte ihr ein letztes Mal zu. Dann breitete er die Schwingen aus und schwebte auf die kleine Laura zu.
Diese schien mit ihren Kräften am Ende zu sein. Ihr Kopf tauchte immer öfter unter Wasser. Bevor das Mädchen unterging, wurde es jedoch von dem geheimnisvollen Retter gepackt und ans Ufer gebracht.
Laura war fassungslos. Vor Aufregung zitternd, klammerte sie sich immer noch an das Geäst der Weide, überwältigt von dem fantastischen Geschehen, das sich gerade vor ihren Augen abgespielt
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