Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Besuchs, Herr Sephem?«
Der Besucher räusperte sich. »Ich habe eine weite Reise hinter mir. Trotz aller modernen Verkehrsmittel ist es von uns aus ja immer noch kein Katzensprung bis nach Europa.« Damit nahm er die Sonnenbrille ab, und Aurelius konnte direkt in seine Augen sehen, die in tiefen Höhlen unter den buschigen Brauen unstet hin und her blickten. »Offensichtlich sagt Ihnen mein Name nichts – oder täusche ich mich?«
»Ich bedaure.« Aurelius runzelte überrascht die Stirn. »Sollte er das?«
»Wie man’s nimmt.« Herr Sephem lächelte geheimnisvoll. »Immerhin war es einer meiner Vorfahren, der einst als Baumeister maßgeblich an der Errichtung dieser Burg beteiligt war.«
»Wirklich!«, erwiderte der Professor beeindruckt.
»Das ist zwar schon einige Jahrhunderte her – fast neun, um genau zu sein – , aber ich hatte trotzdem gehofft, dass die Erinnerung an meinen Ahnen noch nicht vollständig verblasst ist.«
»Es tut mir leid«, beeilte sich der Direktor zu versichern. »Das liegt nur daran, dass sich Burg Ravenstein erst seit dem vorletzten Jahrhundert in unserem Besitz befindet. Um ehrlich zu sein: Sehr gründlich haben wir uns mit ihrer Entstehungsgeschichte noch nicht beschäftigt. Der Gründer der Burg, ein gewisser Reimar von Ravenstein, soll jedenfalls ein unangenehmer Mensch gewesen sein.«
»Ja, davon habe ich gehört!« Der Besucher nickte. »Philetos Sephem – so lautete der Name meines Ahnen – wusste auch ein Lied davon zu singen. Der Baumeister wurde von Reimar von Ravenstein auf einem Kreuzzug aus dem Maurenland hierher verschleppt!«
»Wie schrecklich!«, sagte Aurelius Morgenstern mit ehrlichem Bedauern.
»Das ist wahr«, entgegnete der Besucher. »Aber die Ereignisse liegen schon sehr lange zurück – und außerdem ist selbst in meiner Familie die Erinnerung an Philetos zeitweise verloren gegangen. Dabei trägt er maßgeblichen Anteil daran, dass wir es zu großem Wohlstand gebracht haben. Er hatte in unserer Heimat riesige Ländereien erworben, unter denen später reiche Ölvorkommen entdeckt wurden. Wir sind ihm deshalb zu höchstem Dank verpflichtet. Aus diesem Grunde habe ich mich dazu entschlossen, Philetos ein Denkmal zu setzen. Da ich ebenfalls Architekt bin und auch einige Jahre in diesem Beruf tätig war, bevor mir die Führung des Familienunternehmens übertragen wurde, möchte ich sein Lebenswerk und seine Bauwerke gründlich erforschen und für die Nachwelt dokumentieren.«
»Sehr löblich«, entgegnete Aurelius. »Alle Menschen sollten sich ab und zu auf ihre Wurzeln besinnen. Damit sie merken, dass wir alle nur ein winziges Glied in einer endlosen Kette von Generationen sind.«
Herr Sephem nickte zustimmend. »Ich habe eine Stiftung gegründet mit dem Ziel, alle noch vorhandenen Bauwerke, die nach Philetos’ Plänen errichtet wurden, zu erhalten und sie, wo immer es Sinn macht, wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.«
»Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee.« Der Professor schmunzelte. »Vorausgesetzt, Sie wollen nicht die Zentralheizungen abmontieren und den Internatsbetrieb stören. Und als Architekt ist Ihnen ja sicher bewusst, dass wir vorher die Genehmigung der Denkmalschutzbehörde einholen müssen.«
»Selbstverständlich. Und den Schulbetrieb stören wir natürlich nicht«, versicherte Herr Sephem. »Es geht nur um das Mauerwerk.«
»Schön.« Aurelius Morgenstern beugte sich vor. »Verstehe ich Sie richtig, dass Ihnen am Fortbestand des Internats gelegen ist?«
»Genauso ist es, Herr Professor. Allerdings muss ich Ihnen gestehen, dass ich bis vor vier Wochen noch keinen Gedanken an Ravenstein verschwendet habe. Dass sich das inzwischen so gründlich geändert hat, ist nur einem langjährigen Geschäftspartner zu verdanken, der aus dieser Gegend stammt.«
»Ach, ja?« Der Direktor hob die Brauen. »Darf ich fragen, um wen es sich dabei handelt?«
»Ich bin sicher, dass Ihnen sein Name geläufig ist. Es handelt sich um Maximilian Longolius. Ich habe ihn erst vor kurzem anlässlich eines internationalen Kongresses wieder getroffen, der Großunternehmer aus allen Teilen der Welt zusammengeführt hat.«
»Natürlich kenne ich Herrn Longolius«, warf Aurelius ein. »Sehr gut sogar. Schließlich hat er uns schon mehrfach mit großzügigen Spenden unterstützt.« Er zögerte einen Moment. »Sagten Sie nicht, Sie seien im Ölgeschäft tätig?«
»Natürlich!« Herr Sephem nickte. »Aber meine Familie investiert auch in
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