Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
bei der alten Dame hatten sehen lassen. Dabei waren sie doch verwandt und lebten nicht weit voneinander entfernt!
Eva Luzius bat die beiden Besucher ins Haus und bewirtete sie mit heißer Schokolade, duftenden Waffeln und selbst gebackenem Apfelkuchen mit frischer Schlagsahne. Dies alles schmeckte so vorzüglich, dass selbst Lukas, der sich für gewöhnlich nichts aus Kuchen machte, gleich mehrere Male Zugriff.
Während die Geschwister sich über die Köstlichkeiten hermachten, beantwortete Eva Luzius bereitwillig alle Fragen. Allerdings wusste auch sie nichts über die Herkunft ihrer Schwägerin. »Nicht einmal meinem Bruder hat Lena das verraten«, sagte sie bedauernd. »Sie hat stets erklärt, sie wolle ihn nicht in Gefahr bringen. Und da Michael, euer Opa, sie über alles in der Welt liebte, hat er sich damit zufriedengegeben. Nur eines hat er nie verstanden – dass Lena keine Kinder haben wollte.«
»Wieso das denn nicht?«, fragte Laura.
Ihre Großtante seufzte. »Ich weiß es nicht. Aber dann ist Lena ja doch eines Tages schwanger geworden.« Sie starrte gedankenverloren in die Ferne. Es war so still im Zimmer, dass selbst das Brummen der Stubenfliegen zu hören war. Schließlich fuhr die alte Frau fort: »Michael hat mir erzählt, dass Lena sehr erschrocken war, als sie die Schwangerschaft bemerkt hat. Als ob sie geahnt hätte, was in der Nacht nach der Geburt geschehen sollte.« Eva Luzius seufzte. »Die Umstände ihres plötzlichen Todes werden wohl niemals aufgeklärt werden. Wie ihr wisst, wurde eure Mutter Anna am einunddreißigsten Oktober geboren. Am frühen Vormittag, um genauer zu sein. Damals waren Hausgeburten noch üblich – und auch Lena wollte ihr Baby zu Hause bekommen. Mutter und Kind hatten die Geburt gut überstanden und waren wohlauf, als die Hebamme das Haus verließ. Auch als Michael am Abend noch einmal nach den beiden geschaut hat, deutete nichts auf die Tragödie hin, die sich später abspielen sollte.«
»Was ist denn damals passiert?«, fragte Lukas.
»Das ist es ja!« Eva Luzius schüttelte betrübt den Kopf. »Bis heute kann das niemand mit Bestimmtheit sagen. Michael ist über seiner Arbeit am Schreibtisch eingeschlafen. Das war ihm noch nie passiert. Als er wieder aufwachte, war es schon nach Mitternacht. Er hörte ein leises Klirren aus dem ersten Stock, als ob etwas auf die Holzdielen gefallen sei.« Eva zeigte zur Decke, um anzudeuten, dass das Schlafzimmer genau über dem Wohnraum lag. »Er ging hinauf – und fand seine Frau leblos im Wochenbett vor. Der Arzt, den er verständigte, konnte nur noch Lenas Tod feststellen. Er vermutete, dass die Todesursache Herzversagen war.«
Lukas runzelte die Stirn. »Komisch! Sie war doch noch so jung!«
»Du sagst es, mein Junge. Aber was noch viel merkwürdiger war – Lena sah aus, als wäre sie um Jahre gealtert. Ihr Gesicht hatte plötzlich Falten, und ihre Haare waren schneeweiß. Dabei war sie vorher immer wie das blühende Leben – als würde sie das Geheimnis ewiger Jugend kennen. In den mehr als zehn Jahren, die sie mit Michael zusammen war, schien sie nicht einen Tag älter geworden zu sein. Als mein Bruder an jenem Abend das letzte Mal nach ihr geschaut hatte, hatte sie noch ausgesehen wie immer.«
Laura lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinab. Wie war das möglich?
»Aber um die Sache noch verrückter zu machen«, fuhr Eva Luzius fort, »hat der Arzt schließlich festgestellt, dass Lenas Herz kerngesund war. Er meinte, dass ihre Freude über das Neugeborene so groß gewesen sein muss, dass ihr Herz darüber einfach stehen geblieben ist. Oder dass sie ein entsetzliches Erlebnis gehabt hat, das selbst ein gesundes Herz nicht aushalten konnte. Das würde auch die weißen Haare erklären.«
»Und dieses Geräusch, das Opa Michael gehört hat«, meldete sich Laura zu Wort. »Was hatte es damit auf sich?«
Eva Luzius hob ratlos die Hände. »Auch das gehört zu den großen Rätseln dieser Nacht: Als Michael ins Schlafzimmer kam, entdeckte er neben Lenas Bett den Ring, den sie bis dahin ständig getragen hatte. Offensichtlich hat sie ihn unmittelbar vor ihrem Tod vom Finger gezogen und auf den Boden geworfen.«
Plötzlich hatte Laura einen Verdacht. »Wie sah dieser Ring denn aus?«
»Nun, ich weiß nicht, wie ich ihn beschreiben soll. Er war nämlich recht… recht seltsam.« Die alte Frau zögerte. »Da fällt mir was ein.« Ohne weitere Erklärung erhob sie sich, eilte zum Wohnzimmerschrank und begann hastig
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