Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
Vorfahren, der die Burg im zwölften Jahrhundert erbaut hatte. Laura hatte den maurischen Besucher am Vortag erstmals zu Gesicht bekommen, als er in Saskias Begleitung durch die Burganlage gestreift war, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. »Vielen Dank für die Warnung«, sagte sie deshalb rasch. »Aber es besteht absolut kein Grund zur Sorge, Portak. Der Mann ist nicht der Baumeister, sondern einer seiner Nachkommen, der ihm offensichtlich sehr ähnlich sieht. Außerdem will er uns gewiss nichts Böses. Im Gegenteil: Er ist uns eine sehr willkommene Hilfe! Aber jetzt entschuldige mich bitte, ich habe noch zu tun.«
Der steinerne Hüne hob die Hand und rieb sich das Kinn. »Verzeiht mir, dass ich armer Tor, mit falschem Rat mich wagte vor. Und doch bedenkt der Worte mein, sie könnten Euch behilflich sein. Wenn Ihr mal nicht mehr weiterwisst und fremde Hilfe Ihr vermisst, besinnt Euch was zu später Nacht, der alte Portak hat gesagt.« Damit verbeugte sich der reimende Riese ein letztes Mal, erklomm den Sockel und begann wieder zu wachsen. Nur Augenblicke später stand er erneut als vollkommen reglose Steinfigur da.
Laura warf ihm noch einen dankbaren Blick zu und lief dann zu dem geflügelten Löwen am Fuß der Treppe zurück.
»Eigenartig, dass Portak sich von sich aus zu Wort gemeldet hat. Das ist doch noch nie vorgekommen.« Lukas klang höchst besorgt.
»Einmal ist immer das erste Mal«, antwortete Laura kurz angebunden. »Und jetzt steig endlich auf! Wir haben nicht ewig Zeit.« Damit erklomm sie den Rücken des linken Löwen und hob gebieterisch die Hand. »Hört zu, ihr Löwen Rechts und Links, die ihr die Brüder seid der Sphinx, in dieser Stunde großer Not, auch ihr gehorcht des Lichts Gebot und löst euch nun aus totem Stein, damit ihr könnt behilflich sein!«
Das letzte Wort war kaum verklungen, als Laura kräftige Muskeln unter sich spürte. Auch die geflügelte Figur, die Lukas bestiegen hatte, erwachte aus ihrer Erstarrung. Fast gleichzeitig drang ein Grollen aus der Tiefe der Löwenkehlen.
»Psst!«, mahnte Laura rasch. »Seid bitte leise! Es braucht niemand zu wissen, was wir vorhaben.«
»Verzeihung, Madame«, antwortete Lauras Löwe. »Aber mein Bruder Latus und ich fühlen uns überaus geehrt, dass Ihr endlich wieder auf unsere Hilfe zurückgreift. Es fällt uns deshalb sehr schwer, unsere Freude zu zähmen. Wohin soll es diesmal gehen?«
»Zur Teufelskuppe«, wisperte Laura ihm ins Ohr. »Kennt ihr den Weg?«
»Wollt Ihr uns beleidigen, Madame!« Lateris war verstimmt. »Wir haben hier doch bereits den Wind durchmessen, da war an Euch noch lange nicht zu denken. Jeder Ort, ja, jeder noch so kleine Flecken der Umgebung ist uns bestens vertraut, das solltet Ihr wissen.«
Laura musste schmunzeln. Lateris hatte sich überhaupt nicht verändert. Er benahm sich noch immer wie eine Primadonna. Und sein Bruder Latus mit Sicherheit auch. »Verzeiht mir!«, sagte sie deshalb rasch, beugte sich vor und kraulte das Flugtier ganz sanft hinter dem linken Ohr. »Ihr mut’gen Löwen macht geschwind, schwingt euch empor in Luft und Wind, tragt uns beide von hier fort, schnell, schnell an diesen Teufelsort!«
Die Fabelwesen breiteten die mächtigen Schwingen aus, hoben mit kräftigen Schlägen ab und schraubten sich rasend schnell in die Höhe. Die Gebäude der Burg unter ihnen wurden immer kleiner, bis sie ganz entschwanden. Eine Böe fuhr in das blonde Haar des Mädchens und zerzauste es, während die geflügelten Löwen den nächtlichen Himmel durchmaßen und mühelos mit dem Wind dahinflogen. Die Last auf ihren Rücken schienen sie gar nicht zu spüren. Während Laura sich an der Mähne des Löwen festhielt, schaute sie besorgt zur Seite. Lukas hockte schief auf dem Rücken von Latus und krallte sich mit aller Kraft fest. Wie Laura ihm geraten hatte, vermied er jeden Blick in die Tiefe, und so hielt er sich viel besser als beim letzten Flug. Er war zwar verdächtig blass, aber wenigstens musste er sich diesmal nicht übergeben. Dennoch schien Lukas heilfroh zu sein, als endlich die dunklen Konturen des alten Hauses am Horizont auftauchten und die Fabeltiere zur Landung ansetzten.
Das Mausoleum lag gut fünfzig Meter vom Haus entfernt auf der Spitze der Teufelskuppe. Efeu und Knöterich rankten sich am abblätternden Putz empor. Laura konnte erkennen, dass im Kuppeldach große Löcher klafften, die ihr wie die toten Augen eines Urzeitungeheuers entgegenstarrten. Die Grabstätte
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