Lautlose Jagd
Süden eingefallen war. Was kommt als Nächstes?, fragte Martindale sich deprimiert. Und wie lange wird es noch dauern, bis... ?
»Mr. President, es gibt eine neue Entwicklung«, berichtete Verteidigungsminister Arthur Chastain. Er verfolgte die Meldungen aus dem Pentagon, das von amerikanischen Flugzeugen und Satelliten, die über Korea aufklärten, Radar und Satellitenbilder in Echtzeit erhielt. »Die Grenze, die Entmilitarisierte Zone wird überquert. In allen Sektoren werden massive Bewegungen nach Süden gemeldet.«
»Großer Gott!«, sagte Martindale. Es ist so weit, dachte er grimmig. Die Nordkoreaner stoßen nach Süden vor. Bald würde Südkorea zurückschlagen; dann würde die chinesische Volksbefreiungsarmee sich nach Süden wälzen...
5
Über dem Südosten Nevadas
(zur gleichen Zeit)
»Bullrider, hier Avalanche, Outlaw genau bei null-drei-null, hundertzwanzig Meilen, langsamer Sinkflug aus zwo -drei-tausend, Eigengeschwindigkeit dreihundertsiebzig Knoten, wiederhole, drei-sieben-null. Rechtskurve auf null-drei-null und zwo-dreitausend zum Abfangen.«
Der Pilot des Abfangjägers F-15C Eagle vom 336th Wing auf der Mountain Home Air Force Base in Idaho begann nach Nordosten einzukurven und drückte dabei auf die Sprechtaste am Steuerknüppel: »Verstanden, Avalanche. Bullrider dreht ab.« Mit einem raschen Blick nach rechts aus dem Cockpit überzeugte er sich davon, dass sein Rottenflieger mit der zweiten F-15 parallel zu ihm blieb.
Verdammt merkwürdig, dachte der führende F-15-Pilot. Die B-1B-Besatzung schien auf Nummer Sicher zu gehen - oder sie war lasch geworden. Der Zielkomplex Nellis Range stand offen, und der Bomber kam in dem für Abfangübungen vorgesehenen Zeitraum, also musste er ihr Ziel sein. Aber warum ging er erst jetzt tiefer?
Die meisten Bomberbesatzungen waren bereits tief oder gingen zumindest im Sturzflug tiefer, wenn irgendwo Jäger in der Nähe waren. Und die B-1 flog noch dazu langsam - viel zu langsam.
Diese Jungs von der Air National Guard in Reno waren angeblich die beste, die erfolgreichste Bomberstaffel Amerikas. Der kürzliche Absturz musste sie ziemlich mitgenommen haben, vermutete der F-15-Pilot. Das 366th Wing, sein für Auslandseinsätze aufgestelltes Geschwader, flog verschiedene Flugzeuge - Jäger F-16 und F-15, Jagdbomber F-15E, Tanker KC-135R und Bomber B-1B, die alle auf demselben Stützpunkt stationiert und dafür ausgebildet waren, als Team zu kämpfen. Die Jagdflieger aus Idaho kannten die Taktik von Bombern und wussten, was eine B-1B konnte. Diese Jungs aus Nevada hatten ihnen bisher noch nicht viel gezeigt.
»Hey, Eins, was denkst du?«, fragte der Rottenflieger über Funk.
»Ich denke, das ist ein Schwindler«, antwortete der führende Pilot sofort. Als eingespieltes Team dachten die beiden das Gleiche. Er hatte gehört, dass die Jungs von der Air National Guard zur Täuschung manchmal ihre Tanker KC-135 bis zum Zielkomplex mitnahmen und sie auf der Angriffsroute einfliegen ließen, wodurch die Bomber kostbare Zeit gewannen, in der sie versuchen konnten, ihre Ziele im Tiefstflug zu erreichen. »Avalanche, Bullrider. Habt ihr irgendwelche tiefen Ziele im Anflug? Wir denken, der Kerl dort oben könnte ein Schwindler sein.«
»Warten Sie, Bullrider«, antwortete Avalanche, der Controller an Bord des AWACS-Flugzeugs E-3C Sentry. Nach längerer Pause meldete er sich wieder: »Bullrider, Avalanche. Wir sind clean. Zur Zeit sehen wir keine weiteren Ziele.«
Das war keine definitive Auskunft. Eine B-1B im Tiefstflug war schwer zu orten; folgte ihr Pilot den Geländekonturen in nur 200 Fuß über Grund oder noch tiefer, war sie aus größerer Entfernung selbst für die erfahrene Besatzung eines AWACS-Flugzeugs kaum zu orten. Dieser Kerl dort oben, der so hoch und langsam flog, konnte kein Bomber sein - also mussten die richtigen Ziele noch irgendwo unterwegs sein. Aber auch für den Abschuss eines Tankers gab es eine Menge Punkte; ein Tanker in der Hand war fast so gut wie zwei Bomber auf dem Dach. »Verstanden, Avalanche.
Wir bleiben dran und fangen dieses Ziel ab.«
Er brauchte kein Radar, um diese Maschine abzufangen, und je länger er das Radar ausgeschaltet ließ, desto näher konnte er unentdeckt an sein Ziel herankommen. Er wusste, dass die B-1B mit dem nach hinten gerichteten Radarsystem TWS ausgerüstet war, das sie vor von hinten anfliegenden Flugzeugen oder Lenkwaffen warnte. Aber solange er mit ausgeschaltetem Radar vor der B-1B blieb, konnte er
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