Lautlose Jagd
strengem Blick davor, etwa nach dem Hörer zu greifen.
Schließlich meldete der Verteidigungsminister sich doch: »Was gibt's?«
»Hier ist der Präsident«, sagte Kwon Ki-chae zornig. »Was geht im Norden vor? Mein Stab meldet mir, dass wir die chinesischen Truppen angreifen!«
»Ich hatte keine andere Wahl, Herr Präsident«, behauptete Kim. »Ich habe Jagdbomber eingesetzt, um die Spitze der chinesischen Panzerve rbände mit konventionellen Waffen angreifen zu lassen. Außerdem habe ich Stärke und Verteilung der feindlichen Luftabwehr in der Provinz Chagang Do sondieren lassen.«
»Alles ohne mich um Erlaubnis zu fragen!«, rief Kwon erregt.
»Sie stellen diese Angriffe sofort ein, General! Haben Sie verstanden?«
»Herr Präsident, wir haben durch chinesische Angriffe bereits elf Flugzeuge verloren«, stellte Kim nüchtern fest. »Die Chinesen stoßen weiter nach Süden vor und dürften bald aus der Provinz Chagang Do ausbrechen. Morgen um diese Zeit können sie mit vier Panzerbrigaden in den Außenbezirken von Pjöngjang stehen.
Bringen wir ihren Vormarsch nicht zum Stehen, schlagen sie in drei Tagen in Seoul die Eingangstür des Blauen Hauses ein.«
»General, begreifen Sie denn nicht, dass wir nicht hoffen können, die chinesische Volksbefreiungsarmee mit militärischen Mitteln zu besiegen?«, fragte Präsident Kwon ungläubig. »Haben Sie vergessen, was sich in unserem eigenen Land abgespielt hat? Unseren großen Sieg über den Kommunismus haben wir nicht durch Gewalt, sondern durch den Einsatz von Vernunft und Wahrheit errungen. Das nordkoreanische Regime wurde nicht durch unsere militärische Macht gestürzt, sondern weil das Volk die Diktatur abgeschüttelt hat, von der es allmählich ausgehungert wurde.«
»Ich weiß recht gut, wodurch wir die Kommunisten besiegt haben, Herr Präsident«, antwortete Kim mit leiser, monotoner Stimme.
»Wieso leiden Sie dann unter diesen Anfällen von Größenwahn, General Kim?«, fragte Kwon scharf. »Glauben Sie wirklich, wir könnten China einschüchtern, nur weil wir ein paar Jäger, Geschütze und Atomwaffen erbeutet haben? Der kleinste chinesische Militärbezirk verfügt über doppelt so viele Soldaten, Flugzeuge und Panzer wie unser ganzes Land!
Wir sind ein friedliches Land, Kim, nicht weil wir klein und hilflos sind, sondern weil wir als Koreaner zur Friedensliebe erzogen wurden«, fuhr Kwon fort. »Wir haben keine Offensivstreitmacht, weil wir nie eine besitzen wollten! Wir hätten diese ABC-Waffen aus der Hand geben sollen. Wir hätten sie nie behalten dürfen!«
»Damit China uns wieder besetzen kann?«, wandte Kim ein.
»Haben wir die Wiedervereinigung erkämpft, nur um uns ein paar Wochen später einer vermeintlichen Übermacht kampflos zu ergeben?«
»Heute herrschen andere Verhältnisse als 1895 oder 1945«, fuhr Kwon fort. »Begreifen Sie das denn nicht? Die Eroberung anderer Länder ist weniger wichtig, als wirtschaftlich und technologisch wettbewerbsfähig zu bleiben. China braucht unser Land nicht. Aber Sie - wir - tun weiter so, als herrsche in China noch die Ming-Dynastie, als wollten Kriegsherrn aus dem kaiserlichen Japan uns erneut annektieren. Die Chinesen wären bereit gewesen, in aller Ruhe abzuwarten, ob auf der koreanischen Halbinsel Frieden und Stabilität einkehren würden - solange sie nicht mit ABC-Waffen bedroht wurden. Als wir diese Waffen behalten haben, sind wir für China zu einer Bedrohung geworden.«
»Wir haben diese Waffen zum Schutz unserer Grenzen vor der chinesischen Volksbefreiungsarmee und als Garantie für unsere Sicherheit behalten«, stellte Kim fest. »Wir wussten, dass wir nicht hoffen konnten, uns gegen Chinas zahlenmäßige Übermacht verteidigen zu können. China ist unbesonnen genug, das Leben von Millionen seiner Bürger und Soldaten aufs Spiel zu setzen, nur um die Provinz Chagang Do zu erobern - aber das braucht uns nicht zu kümmern.
Unser Weg ist vorgezeichnet: Wir müssen unsere Drohung wahr machen, Massenvernichtungswaffen einzusetzen, um den chinesischen Vormarsch aufzuhalten. Herr Präsident, ich ersuche Sie um Ihre Startcodes für unsere atomaren, biologischen und chemischen Waffen.«
»Sie... Sie sind übergeschnappt, Kim...«
»Ich bin Realist, Herr Präsident!«, wehrte der Verteidigungsminister schroff ab. »Ich versuche Korea zu retten, statt seiner Vernichtung zuzusehen! Ich bin im Befehlszentrum und leite die Operationen unserer Truppen gegen die chinesischen Invasoren, statt in
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