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Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)

Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)

Titel: Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Powell
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aufbereitete. Man lernte, Blickkontakt zu halten, nicht zu husten oder zu stammeln, nicht die Hände in die Hosentaschen zu stecken, nicht in der Nase zu popeln und sich nicht zu kratzen, wenn es einen juckte. Man lernte, wie man über eine Bühne schritt und einen Zeigestock benutzte, wie man Overheadfolien einsetzte, seine Ausführungen mit Gesten unterstrich und die Stimme hob oder senkte, um die Zuhörer wach zu halten.
    Ich bestand den Kurs mit Auszeichnung und wurde auf die Schüler losgelassen. Doch auch nach erfolgreicher Absolvierung des Lehrgangs blieb ich nicht mir selbst überlassen. Die großen Unterrichtsräume in der Infantry Hall hatten hinten Einwegspiegel, durch die Vorgesetzte deine Darbietung ohne dein Wissen mitverfolgen konnten. Das Unterrichten war ein hartes Brot.
    In dem mühsamsten Kurs, den ich hielt, ging es um das korrekte Ausfüllen eines Unit Readiness Report (in dem man die Bereitschaft seiner Einheit beurteilt, indem man in Formularfelder Ausbildungsstand, Ausrüstung, Bewaffnung, Proviant und so weiter einträgt). Nichts könnte langweiliger sein. Erschwerend kam hinzu, dass ich Offiziersanwärter unterrichten musste, die das Ende des Lehrgangs erreicht hatten und kurz vor ihrer Beförderung zum Offizier standen. Die meisten sollten nach Vietnam geschickt werden. Als sie zu mir kamen, waren sie gerade von ihrer abschließenden Geländeübung zurückgekehrt und hatten drei schlaflose Tage in den Kieferwäldern von Georgia hinter sich, wo es entweder zu heiß oder zu kalt war. Mein Unterricht begann um 16 Uhr und war der letzte an ihrem letzten Tag. Sie kamen von der Übung, spülten unter der heißen Dusche den Dreck ab, nahmen ein verspätetes Mittagessen ein, bestehend aus Spaghetti mit Fleischklößchen, und wurden dann mir übergeben, um in einem klimatisierten Raum eine Dreiviertelstunde lang zu lernen, wie man ein Bereitschaftsformular ausfüllt, von dem sie wussten, dass sie jahrelang keines mehr zu Gesicht bekommen würden … vielleicht sogar nie wieder.
    Die ersten paar Minuten verliefen immer gut. Dann aber ließen sie nach. Sie versuchten, wach zu bleiben. Sie stießen sich gegenseitig an. Ihre Offiziere streiften durch die Gänge, teilten rüde Blicke und noch rüdere Knüffe aus. Nach fünfzehn Minuten hörte ich die ersten Köpfe auf Tischplatten aufschlagen und wusste, dass es Zeit für einen guten Scherz war. Nach zwanzig Minuten warnte ich sie, sie könnten in Vietnam getötet werden, wenn sie nicht wüssten, wie man ein Bereitschaftsformular ausfüllte. Das verschaffte mir weitere fünf Minuten, in denen sie sich fragten, ob ich noch alle Tassen im Schrank hatte.
    Nach etwa dreißig Minuten mussten diejenigen, die der Schlaf übermannt hatte, aufstehen und sich an die Seitenwände lehnen. Einen Gag hatte ich noch auf Lager. Ich stellte eine Frage und fragte, wer sie beantworten wolle. Bevor sie sich drücken konnten, fasste ich unter das Pult und zog ein sehr echt wirkendes, gerupftes Gummihuhn hervor, schwang es am Hals über meinen Kopf und schleuderte es in die Klasse. Alle zweihundert Augenpaare verfolgten gebannt seinen Flug. Wer getroffen wurde, musste die Frage beantworten. Alle brachen in Gelächter aus.
    Das verschaffte mit gerade so viel Zeit, wie ich brauchte, um den Stoff zusammenzufassen, ihnen zu den goldenen Streifen zu gratulieren, die man ihnen am nächsten Tag an-heften würde, und ihnen alles Gute in Übersee zu wünschen. Leider kehrten zu viele nicht zurück. Noch heute begegne ich immer wieder Männern, die zu mir sagen: »Hey, General, dieses verdammte Huhn werde ich nie vergessen.«
    In Benning hielt ich zusammen mit Marine Lieutenant Colonel P. X. Kelly (dem späteren Kommandeur des Marineinfanteriekorps) auch einen Kurs über amphibische Landeunternehmen. Kelly galt als der beste Ausbilder an der Schule und brachte mir viel bei. In den fünfundvierzig Jahren seit meiner Zeit als Ausbilder habe ich mir immer wieder einen Spaß daraus gemacht, Marines zu erzählen, Kelly hätte alles, was er über amphibische Kriegführung wisse, von mir gelernt.
    Was ich in der Schule und als Ausbilder in Benning lernte, blieb hängen, und über die Jahre hinweg habe ich nichts weiter getan, als auf dieser Grundlage aufzubauen. In meinem öffentlichen Leben habe ich vor Präsidenten und Königen gesprochen. Ich habe vor großen Zuhörerschaften und kleinen, vertraulichen Gruppen gesprochen. Ich habe bei zwei Nominierungskonventen der Republikaner und bei so

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