Lebe wohl, Erde!
in die Flammen geworden hatte, hatte seinen Zweck erfüllt, wenn auch sehr langsam. Aber offenbar nicht er allein. Clory machte mich darauf aufmerksam, als sie fragte: »Können wir nicht irgendwo ein trockenes Plätzchen finden, Keefe?«
Ja, erst jetzt wurde mir bewußt, daß es regnete. Nein, nicht regnete, goß! Es war bereits sehr ungemütlich in der Nässe, aber wo sollten wir hin?
Ein grollender Donner und zuckende Blitze in der Ferne ließen uns hochblicken. Wenn der Regen uns schon erreicht hatte, würde auch das Gewitter bald hier sein, da war es gefährlich, unter den Bäumen Zuflucht zu suchen.
Clory deutete. Mein Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm. Das Boot! Ein zweifellos ausgezeichneter Unterschlupf. Es hatte ein Dach, was konnten wir mehr verlangen? Wir rannten die Böschung hinunter, sprangen an Deck, rissen die Tür auf, traten ein und schlossen sie schnell, ehe wir uns umschauten.
Doch gleich darauf sahen wir – sie!
Ein Mann und ein Mädchen, offenbar tot, denn sie lagen reglos und atmeten auch nicht. Ich starrte sie an. Sie trugen nicht die merkwürdige Kleidung wie die beiden Männer, die wir hatten sterben sehen. Ihre war der unseren ähnlich, die übliche Stammestracht.
»Sie müssen sehr nett gewesen sein«, murmelte Clory, und ich pflichtete ihr stumm bei. Der Mann hatte ein offenes, ehrliches Gesicht, und das Mädchen war ausgesprochen schön.
Ich trat näher, um die vollendeten Züge des Mädchens näher zu bewundern. Ich griff nach ihrem Handgelenk, um den Puls zu fühlen – und spürte ein seltsames Kribbeln in meinen eigenen Finger. Schnell zog ich meine Hand zurück.
Ein blasses, bläuliches Licht fiel auf die beiden von einer Art Lampe, die über ihnen hing. Ein Kabel führte die Decke entlang eine Wand hinunter zu einem Podest im Vorderteil des Bootes, auf dem sich Dutzende – nein, Hunderte! – geheimnisvolle Hebel und Anzeiger befanden. Ich ging darauf zu und betrachtete sie.
Die Schalter und Hebel waren von verschiedenster Form und den unterschiedlichsten Farben. Ich kannte natürlich den Zweck keines einzigen davon, aber welchen Schaden würde es schon anrichten, wenn ich sie bewegte?
Am Fuß des Podests befand sich ein geradezu aufreizender roter Hebel. So klein war er und so tief nach unten, daß er bestimmt nicht gefährlich sein konnte. »Rühr ihn nicht an, Keefe!« bat Clory angsterfüllt, als ich mich bückte, um ihn zu betasten.
Doch ich hatte ihn bereits bewegt.
Nichts tat sich.
Ermutigt bewegte ich einen weiteren und dann noch mehrere.
Ein Ruck ging durch das Boot. Das surrende Geräusch begann erneut, und das Wasserfahrzeug setzte sich in Bewegung. Ich hatte es gestartet!
»O Keefe! Warum …« Aber Clory verstummte. Worte waren jetzt nutzlos. Es war geschehen.
Wir rannten zur Tür, aber sie ging nicht auf. Offenbar war sie mit den Kontrollen verbunden, die das Boot in Fahrt gebracht hatten. Ich rannte zu einem der Fenster und hämmerte dagegen, aber auch das ließ sich nicht öffnen, genausowenig wie zerbrechen, obgleich ich meine Schulter mit voller Kraft dagegen warf.
Konnte ich das Boot vielleicht anhalten? Ich studierte das Podest. Die Frage war nur, welcher Schalter oder Hebel war der richtige? Unmöglich, es zu erraten, und ich wagte nicht, wieder aufs Geratewohl zu experimentieren.
Ich blickte verstört aus dem Fenster. Der spitze Bug teilte das Wasser in zwei saubere Wellenkämme zu beiden Bootsseiten. Das Unwetter war inzwischen herangekommen. Blitze schlugen in die höheren Bäume ein. Das dunkle Wasser voraus und das wilde Lichtzucken am Himmel boten einen erschreckenden Anblick.
»Zumindest«, sagte Clory tapfer, »bringt das Boot uns irgendwohin. Schau, wie es in der Flußmitte bleibt. Etwas muß es steuern!« Wie konnte das Boot überhaupt gelenkt werden? Ich tat es jedenfalls nicht, genausowenig wie sonst jemand an Bord. Ein weiteres Rätsel, mit dem wir uns dringend beschäftigen mußten.
Da hörte ich ein Rascheln hinter mir. Ich wirbelte herum. Der »Tote« war aufgewacht und dabei, mich anzuspringen. Hätte er es getan, wäre er vermutlich als Sieger aus dem Handgemenge hervorgegangen, denn er war von sehr muskulösem Körperbau, und ich hatte keine Zeit, mein Messer zu ziehen. Aber als er mich von vorn sah, zögerte er.
»Wer bist du?« fragte er, und seine drohende Haltung entspannte sich ein wenig. »Du bist doch aus einem Stamm!«
Auch das Mädchen lebte, sah ich nun dankbar. Sie befand sich dicht hinter ihm, um
Weitere Kostenlose Bücher