Leben Ist Jetzt
unersetzlich. Als Privatmann kann er höchstens noch im Haushalt
mithelfen.
Wir können die Angst nicht verdrängen. Die Angst hat ja immer einen Sinn. Sie zeigt mir, woher ich mich bisher definiert habe. Ich
habe meinen Wert davon abgeleitet, dass ich für andere wichtig bin, dass sie mich nötig haben, dass sie meinen Rat brauchen oder zumindest mein Geld. Wenn
mein Geld und meine Fähigkeiten nicht mehr gebraucht werden, dann muss ich einen anderen Grund in meinem Leben finden, auf den ich mein Lebenshaus bauen
kann. Die Angst lädt mich ein, mir vorzustellen, wie es sein wird, wenn ich nicht mehr gebraucht werde. Bin ich dann nichts mehr wert? Woher definiere ich
mich dann? Was gibt dann meinem Leben einen Sinn? So drängt mich die Angst dazu, aus mir selbst oder aus Gott heraus zu leben und nicht mehr aus dem
Gebrauchtwerden heraus. Wenn ich unbedingt gebraucht werden will, dränge ich mich anderen auf und erfahre vielleicht gerade so immer wieder
Ablehnung. Wenn ich jedoch aus mir heraus lebe, dann werden immer wieder Menschen auf mich zukommen und mich um Rat fragen. Dann werde ich – und sei
es nur von Zeit zu Zeit – auch wieder gebraucht. Aber ich definiere mich nicht mehr darüber.
Verantwortung übernehmen, damit unsere Welt menschlicher wird
Ein inzwischen 68-jähriger, der vor seiner Pensionierung in seiner Firma Verantwortung für eine Abteilung und als Vater Verantwortung
für seine Familie übernommen hatte, nicht nur für die finanzielle Absicherung, sondern auch für die Erziehung und den Zusammenhalt, sagte mir, dass er
darin den Sinn seines Lebens gefunden habe, und er fragte sich: Soll ich jetzt mit 68 Jahren alle Verantwortung loslassen und anderen überlassen?
Es gibt heute leider viele Menschen, die sich weigern, Verantwortung zu übernehmen. Sie erwarten alles von den anderen. Die anderen
sind schuld, wenn ihr Leben nicht gelingt. Doch die Schattenseite der Verantwortung besteht darin, dass wir in der Verantwortung für andere auch die Macht
erfahren, die wir haben. Wir sind wichtig. Ohne uns geht das Leben der anderen nicht. Das stärkt unser Selbstwertgefühl. Daher fällt es uns schwer, die
Verantwortung loszulassen. Es gehört beides zur Verantwortung: die Bereitschaft sie zu übernehmen und die Fähigkeit sie loszulassen. Loslassen gelingt nur
dem, der vertraut, dass nun ein anderer die Verantwortung übernimmt, dass die Kinder nun für sich selbst verantwortlich sind oder dass Gott die
Verantwortung für sie hat. Dann kann ich meineVerantwortung für die Kinder verwandeln, indem ich für sie bete.
Die Verantwortung für die Firma und für die Familie loszulassen sieht jeweils anders aus. In der Firma sollen wir vertrauen, dass
unser Nachfolger die Verantwortung übernimmt und die Firma gut weiter führt. Wir müssen den Nachfolger nicht beraten oder gar kontrollieren, ob er
weiterhin zum Wohl der Firma arbeitet. Mit der Verantwortung für die Familie ist es anders, sie können wir nicht einfach loslassen. Aber sie wandelt
sich. Die Eltern müssen nicht mehr dafür sorgen, dass die Kinder versorgt sind. Sie müssen sie nicht mehr erziehen. Aber auch als ältere Menschen tragen
sie Verantwortung für die Familie, dass sie nicht auseinander fällt, sondern noch zusammenhält. Ältere Menschen nehmen ihre Verantwortung anders wahr als
früher, weniger durch Tun als vielmehr durch Sein. Sie antworten auf die Kinder, wenn sie Fragen und Probleme haben. Aber sie gehen nicht aktiv auf die
Kinder zu, um ihnen vorzuschreiben, wie sie handeln sollen.
Vor allem aber haben die alten Menschen für sich selbst Verantwortung. Ich bin verantwortlich für die Ausstrahlung, die ich auf andere
habe. Daher ist es meine Aufgabe, mich mit mir selbst auszusöhnen. Das ist nicht nur mein Privatvergnügen, sondern geschieht immer schon in Beziehung zu
meiner Umwelt.Wir tragen durch die innere Versöhnung mit uns selbst dazu bei, dass von uns etwas Heilsames und Versöhnendes ausgeht in
diese Welt. Wir tragen dazu bei, dass die Welt um uns herum menschlicher wird.
Es gibt viele Formen, Verantwortung für andere zu übernehmen. Wir sollten uns nicht einfach nur auf uns zurückziehen, sondern uns
durchaus fragen, wo unsere Verantwortung gebraucht wird und wo sie für andere zum Segen werden kann.
Sich einbringen: Brücken bauen in der Gesellschaft
Alte Menschen sind keineswegs nur eine Last für die Gesellschaft, sondern können auch ein Segen für
Weitere Kostenlose Bücher