Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
komm ich sowieso nicht aus meinem Mietvertrag raus. Wir überlegen erst mal, wie wir das in deiner Wohnung organisieren und holen dann meine Sachen, okay?“
Warum ist dieser Mann nur so wunderbar, dachte Julia und hätte fast angefangen zu weinen, so einen wollte sie auch.
Gitte ran eine Träne über ihre Wange und augenblicklich beugte sich Steffen zu ihr, um sie zu küssen. Zeitgleich standen sie auf und verabschiedeten sich von Julia. Plötzlich war sie allein in der Wohnung. Die Ruhe ängstigte sie beinah. Schnell drehte sie das Radio auf und fing an abzuwaschen.
Pünktlich um zehn stand ein äußerst gut gelaunter Steffen vor ihrer Tür.
„Bist du soweit?“, fragte er.
‚Eigentlich nicht‘, wollte sie ihm sagen, tat es jedoch nicht und nickte.
Eine halbe Stunde später betraten sie ein Fachgeschäft für Läufer , von dem sie bis dahin noch nie etwas gehört hatte. Sie wusste nicht einmal von dessen Existenz. Die Verkäuferin war äußerst freundlich und behandelte sie nicht, wie sie erwarte hatte, von oben herab, weil hier eine dicke Frau in den Laden kam und ernsthaft Laufschuhe haben wollte. Schnell hatte die Verkäuferin einige Kartons, gefüllt mit äußerst hässlichen Schuhen, aus dem Lager geholt.
„Die sind aber wirklich nicht besonders schön“; sagte Julia, als sie das erste Paar in den Händen hielt.
„Um Schönheit geht es hier auch nicht“, sagte Steffen und die Verkäuferin nickte wissend.
Nacheinander zog Julia diverse Modelle an und sollte im Laden auf und ab laufen, was ihr sehr unangenehm war. Während Julia hin und her lief und bereits in Schweiß geriet, legte sich die Verkäuferin flach auf den Boden und beobachtet, wie sich Julias Füße verhielten.
„Zeichnest du das nicht mit Video auf?“, wollte Steffen wissen.
„Nein, ich seh’ das so. Es sei denn Sie möchten es gern einmal sehen, wie Sie laufen, dann mach ich das gern“, sagte die Verkäuferin und sah dabei Julia an.
„Nein, nein, bloß nicht.“
Julia war völlig verschreckt, dass man sie hätte beim Laufen filmen können.
Die freundliche Verkäuferin erklärte ihr in allen Einzelheiten, wie sie laufen würde und sich ihre Füße dabei verhielten. Julia kam es vor, als würde sie eine Fremdsprache sprechen, von der Julia noch nie zuvor etwas gehört hatte, nickte aber immer zustimmend. Die Verkäuferin verschwand nach hinten und kam mit weiteren Kartons zurück.
„Noch mehr?“
Julia hatte bereits jetzt keine Lust mehr, außerdem wollte sie ihre Kräfte für den späteren Lauf mit Steffen sparen.
„Probieren Sie mal diese“, sagte die Verkäuferin.
Wieder musste Julia durch den Laden laufen. Erstaunlicherweise spürte sie aber doch einen Unterschied und ihre Füße taten nicht weh. Diese Prozedur wiederholte sie unzählige Male. Wieder zog sie die Schuhe von dem Mal davor an, oder von einem Paar den linken und von einem anderen den rechten Schuh. Am Ende war sie völlig verwirrt und wusste gar nicht mehr welcher nun gut war und welcher nicht.
„Ich glaube“, sagte Steffen, „diese hier sind gut für sie. Das sah gut aus, wie sie darin gelaufen ist, was meinst du?“
„Das seh’ ich genauso, was meinen Sie?“, fragte die Verkäuferin.
Julia kam sich vor wie ein Volltrottel, da die Verkäuferin mit Steffen anders sprach als mit ihr.
„Ich habe keine Ahnung“, sagte Julia, die komplett überfordert war, „die sind schon bequem.“
„Gut“, sagte die Verkäuferin, „dann werden es die.“
Julia sah auf das Preisschild und wurde bleich. Weit über einhundert Euro sollte sie dafür bezahlten. Ihre anderen hatten lächerliche zwanzig gekostet. Und dann sollte sie noch Geld für Kleidung ausgeben. In den nächsten Wochen würde sie fleißig sparen müssen. Nur gut, das sie inzwischen wieder angefangen hatte weniger zu essen und schon allein dadurch eine Menge Geld sparte.
An der Kasse des großen Sportgeschäftes in der Innenstadt bekam Julia nochmals einen Schweißausbruch, als sie zweihundert Euro für Sportbekleidung bezahlte, die sie warm durch den Winter bringen sollte.
„Das ist jetzt zwar viel Geld, aber glaube mir“, sagte Steffen, „du wirst es nicht bereuen und lange daran Freude haben.“
Julia nickte stumm und wollte jetzt nur noch nach Hause und sich hinlegen.
Stattdessen stand sie eine weitere Stunde später mit Steffen am Wanderweg, der um die Alster führte.
„Dann wollen wir mal“, sagte Steffen.
Langsam fingen sie an zu laufen. Julia schwitzte schon
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