Leben und Schicksal
und bei seinen Untergebenen unbeliebt. Verteidigungsanlagen hatte Below überhaupt keine angelegt. Die materiell-technische Versorgung der Brigade interessierte ihn offenbar auch nicht. Er befasste sich allein mit der Treibstoff- und Munitionsversorgung. Organisation von Reparaturen und Evakuierung beschädigter Maschinen vom Schlachtfeld waren nicht seine Sache.
»Hören Sie, Genosse Below, wir sind hier nicht mehr im Ural, sondern in der Steppe«, sagte Nowikow streng.
»Ja, wie die Zigeuner im Zigeunerlager«, ergänzte Getmanow. Below ratterte los: »Gegen Luftangriffe habe ich Maßnahmen getroffen, aber ein Gegner zu Lande ist nicht gefährlich, scheint mir, in dieser Entfernung von der Front wäre das einfach unrealistisch.«
Er holte Luft. »Wir wollen doch nicht verteidigen, wir wollen durchbrechen. Ich halt’s ja schon kaum mehr aus, Genosse Oberst.«
Getmanow sagte: »Prima, prima, Below. Ein sowjetischer Suworow, ein echter Feldherr«, und zum »Du« übergehend, fuhr er freundlich und leise fort: »Der Chef der Politabteilung berichtet mir, dass du was mit einer Schwester aus dem Sanitätsbataillon hast. Stimmt das?«
Below ließ sich von dem vertraulichen Ton Getmanows täuschen und sagte arglos: »Stimmt. Was hat er gesagt?«
Doch schon dämmerte ihm die Bedeutung der Worte des Kommissars, auch ohne dass dieser sie wiederholte, und er fügte verlegen hinzu: »Männersache, Genosse Kommissar, unter Frontbedingungen.«
»Aber du hast doch Frau und Kinder.«
»Drei«, nickte Below niedergeschlagen.
»Na, siehst du, drei Kinder. In der zweiten Brigade hat die Führung den ausgezeichneten Bataillonskommandeur Bulanowitsch entlassen wegen so einer Geschichte; man hat die strengste Maßnahme ergriffen und ihn vor dem Ausrücken aus der Reserve durch Kobylin ersetzt. Was ist denn das für ein Beispiel für die Untergebenen? Ein russischer Kommandeur, Vater von drei Kindern!«
Below wurde böse und sagte laut: »Das geht keinen etwas an, ich habe ja ihr gegenüber keine Gewalt anwenden müssen. Und dieses Beispiel haben vor mir und Ihnen schließlich schon viele andere gegeben.«
Ohne die Stimme zu erheben, jedoch wieder zum »Sie« übergehend, sagte Getmanow: »Genosse Below, denken Sie an Ihr Parteibuch. Nehmen Sie Haltung an, wenn Ihr Vorgesetzter mit Ihnen spricht.«
Below straffte sich übertrieben und sagte: »Ich bitte um Verzeihung, Genosse Brigadekommissar, ich verstehe natürlich, sehe meine Schuld ein.«
Getmanow sagte: »An deinen kämpferischen Leistungen habe ich keinen Zweifel; der Korpskommandeur vertraut dir. Nun sorge dafür, dass du dich auch privat nicht zu schämen brauchst.« Er sah auf die Uhr. »Pjotr Pawlowitsch, ich muss zum Stab; ich fahr nicht mit zu Makarow. Ich nehme mir einen Wagen von Below.«
Als sie den Befehlsstand verlassen hatten, platzte Nowikow heraus: »Hast wohl Sehnsucht nach deiner Tomotschka gekriegt?«
Eiskalte Augen sahen ihn erstaunt an, und eine sehr unangenehme Stimme sagte: »Ich bin zum Mitglied des Frontkriegsrats bestellt.«
Vor seiner Rückkehr zum Korpsstab fuhr Nowikow noch zu seinem Favoriten Makarow, dem Kommandeur der ersten Brigade.
Gemeinsam gingen sie zu dem kleinen See, an dem eines der Bataillone lag.
Mit blassem Gesicht und traurigen Augen, die gar nicht zum Brigadekommandeur schwerer Panzer passen wollten, sagte Makarow: »Erinnern Sie sich an den Sumpf in Weißrussland, Genosse Oberst, als die Deutschen uns durchs Schilf jagten?«
Nowikow nickte.
Er dachte an Karpow und Below. Bei ihnen ging es nicht nur um Erfahrung, sondern auch um ihr ureigenes Wesen. Die fehlende Erfahrung konnte und musste man den Kommandeuren aufpfropfen; aber ihr Wesen durfte man keinesfalls unterdrücken. Man durfte Leute aus Jagdfliegerverbänden nicht in Pioniereinheiten stecken. Es konnten nicht alle so sein wie Makarow. Er war eben in der Verteidigung gut und auch in der Verfolgung.
Getmanow sagte von sich, er sei für die Parteiarbeit geschaffen. Makarow war eben Soldat bis ins Mark. Den konnte man nicht umkrempeln.
Von Makarow wollte Nowikow keinen Lagebericht und keine Zahlen. Mit ihm wollte er sich beraten: Wie würde man beim Angriff am besten volles Zusammenspiel von Infanterie, Pionieren und SFL-Artillerie erreichen? Deckten sich ihre Vermutungen über mögliche Aktionen und Absichten des Feindes nach Beginn der Offensive? Beurteilten sie die Stärke der feindlichen Panzerabwehr gleich? Waren die Aufmarschpläne richtig festgelegt
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