Lebenselixier
verstand kaum ihre eigene Stimme, sah nur den Unwillen in den
blassen Augen. „Antonia Lemberg“, ergänzte sie hastig. Warum machte ihr Schädel
nicht endlich seine Drohung wahr und zersprang?
„Du versorgst eines dieser Monster mit Blut?“ Tony schnappte vergebens nach
Luft, glaubte an dem Druck auf ihrer Brust ersticken zu müssen. „Er trinkt von
dir?“
Meinte er damit Lukas?
„Ja?“
„Und du hast von ihm getrunken? Sag mir wie viel!“
Tony war nicht in der Verfassung folgerichtig zu denken. Sie verstand nicht,
worauf diese Frage abzielte. Kam gar nicht auf die Idee, dass ihr Peiniger
wissen wollte, welche Menge Blut notwendig war, um eine menschliche Frau in
eine Gefährtin zu verwandeln. Wie viel Blut sie Lukas bei ihrer Vereinigung tatsächlich
entzogen hatte, wusste nicht einmal er zu sagen.
„Ich weiß nicht“, stieß sie unter hysterischen Tränen hervor. „Ich weiß nicht!“
Ein brutaler Schlag traf ihr Gesicht. Ihre pochende Stirn stieß gegen die
Gitter, die seitlich ihres Kopfes aufragten.
Mit
quietschenden Reifen brachte Jan Etiennes Wagen unmittelbar neben einer
unauffälligen Limousine zum Stehen, in der Jamal und zwei niederländische
Wächter saßen. Arne war ausgestiegen und sah ihm entgegen. Jan stoppte den
Mercedes nur einen halben Meter vor dem Jäger. In derselben Sekunde, in der die
Reifen stillstanden, sprang er aus dem Auto.
„Lukas hat mich eben angerufen“, verkündete Arne. „Tony ist für ein paar
Minuten wieder aufgetaucht.“
„Hier in der Stadt?“
Er gönnte es seinem Freund, dass auch Lukas Gefährtin noch lebte. Doch im
Augenblick interessierte ihn nur, dass Thomas vermutlich in ihrer Nähe war.
Arne verstand das gut genug.
„Lukas Wahrnehmung stimmt mit den Angaben dieses Priesters überein, die Johann
mir durchgegeben hat.“
Jan quetschte sich zu den beiden Wächtern in den Fond, während Arne auf dem
Beifahrersitz Platz nahm. Der Wagen verließ bereits den Parkplatz, bevor die
Beifahrertür ins Schloss fiel.
Der
Schmerz brachte Thomas halbwegs zu Bewusstsein, als er auf dem Fußboden
landete. Aus einem guten Meter Höhe dorthin geworfen, schlidderte er ein Stück
über den Boden und krachte mit dem Schädel gegen die Fußleiste. Er stöhnte,
krümmte sich zusammen. Mehrstimmiges Gelächter kommentierte seine
Anstrengungen, sich an der Wand in eine sitzende Position hochzuziehen.
In der gegenüberliegenden Ecke hockte Hannah. Verängstigt wich sie so weit vor
den vier grobschlächtigen Männern zurück, wie der enge, fensterlose Raum
zuließ. Das Interesse der Schläger galt allerdings nicht ihr. Im Moment jedenfalls.
„Walser sagt, er
braucht die Schwuchtel nicht mehr“, verkündete einer der muskelbepackten
Kahlköpfe. „Wie er verschwindet ist ihm egal.“
Zustimmendes Johlen kam von den beiden Kerlen im Hintergrund. Der mit den
Tätowierungen auf der Kopfhaut ballte seine riesige Pranke zur Faust und ließ
sie in seine Handfläche klatschen. „Ist doch mal ´ne gute Nachricht!“
Die Bedrohung gab Thomas die Kraft, die Benommenheit abzuschütteln und auf die
Beine zu kommen. Doch zwei der Kerle hatten ihn bereits im Griff. Sie hielten
ihn an den Armen zwischen sich, während der Tätowierte sich die Lippen leckte,
bevor er zum Schlag ausholte und seine Faust in Thomas Magen rammte.
„Sind wir so
weit?“
Charles platzierte eine auf ein Stativ geschraubte Kamera neben dem Metalllager,
richtete sie aus und zog eine Stoppuhr aus der Tasche seines Laborkittels. Tony
nahm diese Vorbereitungen kaum wahr, denn ihr Blick hatte sich an dem silbernen
Gegenstand festgesaugt, den Walser bedächtig in der Hand wog.
Ein Skalpell!
Es gab nur eine Erklärung, was Walser damit vorhatte, doch Tonys Verstand
weigerte sich es zu glauben. Bis Walser die Klinge auf die Haut ihres Oberarms
legte, ganz leicht zuerst. Er griff mit der freien Hand nach ihrem Kinn, fing
den Blick seiner Gefangenen ein. Interessiert beobachtete er das Wechselspiel
zwischen Panik und Unglauben. Und den Hauch unbegründeter Hoffnung, er würde es
vielleicht doch nicht tun.
Tony sah Walser lächeln, während er den Druck auf die Klinge verstärkte und sie
ihren Arm hinab gleiten ließ.
Die Klinge war so
scharf, dass es einen Augenblick dauerte, bis die Nervenbahnen reagierten. Tony
sah die Wundränder auseinanderklaffen und bluten. Erst dann erreichte der
Schmerz ihr Bewusstsein. Dennoch keuchte sie nur. Eine eigenartige Betäubung
hatte sich über sie gesenkt. Das war nicht real,
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