Lebenselixier
er eine ansatzweise Bewegung von
Hannah, als wollte sie ihm auch diesmal helfen. Doch sie blieb abrupt stehen.
Um den Katheter würde er sich selbst kümmern müssen. Vorausgesetzt, er schaffte
es, sich aufzurichten.
Zitternd vor
Schwäche rutschten seine Hände ab und er knallte mit dem Hinterkopf auf die
Stahlliege zurück. Der Schmerz raubte ihm beinahe die Besinnung. Hannah eilte
an seine Seite, zog ihn am Oberarm hoch, presste dann die Hände in seinen
Rücken. Er wollte aufschreien, als seine Rückenmuskulatur grell protestierte.
Doch er riss sich zusammen, knirschte nur mit den Zähnen, angesichts der
wachsenden Panik, die er in Hannahs Gesicht lesen konnte. Vermutlich wurde ihr
grade bewusst, dass sie etwas Unwiderrufliches getan hatte. Jetzt gab es auch
für sie nur noch die Flucht nach vorn.
„Dieses Ding
hängt nicht irgendwo da drin fest, oder?“
Hannah starrte krampfhaft zu Boden. „Ich weiß nicht“, stammelte sie. „Charles
hat das …“ Sie brach ab, die Wangen flammend rot.
Thomas schaffte es, eine Hand von der Aufgabe, sich aufrecht zu halten
abzuziehen. Entschlossen zerrte er an dem dünnen Schlauch. Es ging unerwartet
einfach. Aber verglichen mit den krampfartigen Schmerzen, die jeden seiner
Muskeln heimsuchten, war ein wundes Gefühl in der Harnröhre wirklich nicht der
Rede wert.
Mühsam schob er seine Beine über die Kante der Liege. Hannah riss sich zusammen
und bemühte sich, behilflich zu sein. Aufrecht sitzend musste er einen
Augenblick innehalten, bis der Schwindel sich gelegt hatte.
„Einen Moment“, keuchte er. „Mein Herz muss sich erst dran gewöhnen, das Blut
wieder nach oben zu pumpen. Ich hoffe, das geht schnell. – Okay. Versuchen
wir´s.“
Er ließ sich von
der Kante rutschen, bis seine Füße Bodenkontakt bekamen. Seine Fußsohlen
brannten, als hätten sie vergessen, wozu sie da waren. Die Beine zitterten
heftig. Einen Augenblick war er sicher, dass er der Länge nach hinschlagen
würde. Der Raum begann sich erneut zu drehen. Weder seine Beine noch seine Arme
schienen willens, ihm zu gehorchen.
Doch das Karussell kam zum Stehen und er stellte fest, dass er auf seinen Füßen
stand. Wackelig und ungläubig, dass es tatsächlich funktionierte, aber er
stand. Versuchsweise bog er seine Wirbelsäule durch, ließ die Kante der Liege
los, um sich aufzurichten.
„Jetzt weiß ich, wie sich Frankensteins Monster gefühlt haben muss“, stöhnte
er.
Der Scherz war an Hannah völlig verschwendet. Er verzog das Gesicht zu einem
schmerzlichen Grinsen. Nein, sie war gewiss nicht der Typ, der Sympathien für
das Monster entwickelte, wenn sie einen Gruselfilm sah.
Sein Blick
durchforstete den Raum, während er sich für den ersten Schritt sammelte. An der
Seite, welche die ganze Zeit hinter ihm gelegen hatte, gab es eine typische
Laborbank, halb unter größtenteils undefinierbaren Gegenständen begraben. Und
verschiedene verglaste Schränke, die allerdings weitgehend leer standen. Der
Tisch, auf dem er so viel Zeit verbracht hatte, war auf Rollen montiert. Alles
wirkte provisorisch.
„Wie lange sind Sie schon hier?“, fragte er.
„Was?“
„Es sieht nicht aus, als hätten Sie sich für länger eingerichtet.“
Hannah blickte sich um. Sie verstand nicht, warum ihn das jetzt interessierte.
„Eine Weile. Seit wir … Thomas!“
Sein Unterarm, an dem sie ihn gestützt hatte, entglitt ihr, als er sich
zusammenkrümmte. Ein Schweißfilm überzog seine Haut. Gurgelnde Geräusche
drangen aus seiner Kehle.
Was sollte sie tun, wenn er hier zusammenbrach? Was hatte sie nur getan, was
sich dabei gedacht? Und das Schlimmste: Was würde Walser tun, wenn er es
herausfand?
So plötzlich, wie der Anfall gekommen war, entspannte Thomas sich wieder. Er
richtete sich auf, viel leichter als beim ersten Mal, als sei eine Energiewelle
durch ihn hindurchgeflossen.
Sie zuckte irritiert zusammen, als sie sein raues Lachen hörte. Die
Erleichterung, dass er noch auf seinen Füßen stand, verflüchtigte sich schnell
und verwandelte sich in Furcht. Sie ahnte, diese unpassende Fröhlichkeit
bedeutete nichts Gutes.
Thomas fühlte
Hannah zurückweichen. Sein Verhalten erschreckte sie, und er dachte, dass sie
allen Grund dazu hatte.
Er konnte nicht aufhören zu lachen. Die Alternative wäre gewesen, in Tränen
auszubrechen. Wie ein Stromstoß, von einer Sekunde zur anderen, war alles
wieder da!
Er spürte Hannah als geistige Präsenz in seiner unmittelbaren Nähe, wenn er
auch ihre Gedanken nicht wirklich
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