Lebensstrahlen
wichtige Entdeckungen zu ködern versucht. Fiebernd vor Ungeduld hatte er Tag für Tag auf eine Antwort gelauert; sie war nicht gekommen.
Und dann heute früh doch endlich ein Brief! Erwartungsvoll nahm Bruck ihn in Empfang, warf einen Blick auf den Umschlag – und war enttäuscht. Keine französischen Marken. Ihlefeld gab der Poststempel als Aufgabeort an. Sollte Bigot wieder wie das letztemal selber nach Deutschland gekommen sein, um persönlich mit ihm zu verhandeln? Erst in seinem Zimmer riß er den Umschlag auf, faltete den Bogen auseinander und stutzte, als er den Briefkopf sah. »Professor Hartford.« Was hatte das zu bedeuten? Professor Hartford aus Schenektady hatte sich doch bei Eisenlohr angesagt und wurde von dem eigentlich schon jeden Tag erwartet … Wie kam der dazu, jetzt an ihn zu schreiben? Ein Irrtum war ausgeschlossen. »Mein lieber Herr Dr. Bruck …« begann der Brief.
In einer Weise, die Bruck übertrieben schien, betonte der Schreiber dessen Mitwirkung bei den Arbeiten, die auf der Eulenburg geleistet worden waren, und gab dann der angenehmen Erwartung Ausdruck, bald auch Herrn Dr. Eisenlohr persönlich kennenzulernen …
Bruck schüttelte den Kopf. Warum schrieb der Professor das an ihn? Das war doch alles schon längst mit Eisenlohr direkt schriftlich abgemacht. Bruck fuhr mit seiner Lektüre fort. Aha, jetzt kam wohl die Hauptsache. Mr. Hartford sprach den Wunsch aus, vor der Zusammenkunft mit Eisenlohr erst einmal mit Bruck zusammenzutreffen, um sich mit ihm über einige wichtige Fragen auszusprechen.
»Ein sonderbarer Heiliger, dieser Professor Hartford!« murmelte Bruck vor sich hin. Warum will er erst den Assistenten kennenlernen, bevor er die Bekanntschaft des Chefs macht? –
Will er mich vielleicht erst aushorchen? – Denkt er etwa, er könne von mir erfahren, was ihm Eisenlohr selber nicht sagen würde? … Will sich bei mir erst Kenntnisse verschaffen, mit denen er Eisenlohr später imponieren kann … Na, mein lieber Professor Hartford, wir sind auch schon seit einiger Zeit aus den Windeln heraus. Was du nicht wissen sollst, wirst du von mir auch nicht zu hören bekommen …
Jäh nahmen die Überlegungen Brucks eine andere Wendung.
Gehörte er denn überhaupt noch zur Gruppe Eisenlohr? War der Boden hier für ihn nicht reichlich unsicher geworden? …
Wie wär’s, wenn er die günstige Gelegenheit ergriffe, wenn er sich von Anfang an offen auf die Seite dieses amerikanischen Professors stellte und ihm wirklich nützliche Informationen gab? Vielleicht konnte er zu dessen Stab übertreten, den Staub hier von seinen Füßen schütteln, nach Amerika gehen?
Nach langen Tagen quälender Unrast sah Bruck hier eine Möglichkeit, vielleicht mit einem Schlage aus allen seinen Verlegenheiten herauszukommen, und beschloß, sie sofort zu nutzen. Noch einmal schlenderte er durch das Laboratorium und den Keller und wechselte dabei ein paar Worte mit Holthoff.
Eine halbe Stunde, bevor Eisenlohr bei den Öfen einmal kurz nach ihm fragte, war das geschehen. Möglichst unauffällig hatte er sich danach wieder entfernt und einen Wagen aus der Garage geholt. Eine halbe Stunde später hielt er vor dem Hotel
»Zum Hohen Stein«, das der amerikanische Professor als seine derzeitige Adresse angegeben hatte.
Mr. Percy Hartford lief unruhig in seinem Hotelzimmer in Ihlefeld hin und her. Alles würde jetzt davon abhängen, wie sich Dr. Bruck zu ihm und seinen Wünschen stellte.
In Gedanken begann er sich das Gespräch zurechtzulegen, das er mit Bruck führen wollte. Immer klarer wurde ihm dabei, daß bei dieser Unterredung sehr viel Diplomatie von seiner Seite nötig sein würde, wenn er sein Ziel wirklich erreichen wollte. Soweit war Hartford mit seinen Überlegungen gekommen, als Bruck draußen vor dem Hotel vorfuhr.
*
Mit ausgesuchter Höflichkeit empfing Hartford den Doktor und bedankte sich, daß er seiner Einladung so schnell gefolgt sei.
Mit viel Anerkennung sprach er von den Arbeiten Brucks.
»Ich will nicht leugnen, Herr Professor«, sagte dieser, »daß wir auf der Eulenburg recht beachtliche Erfolge erzielt haben, und es freut mich besonders, daß ein Fachmann von Ihrer Bedeutung meinen Anteil dabei richtig einschätzt.«
Einen Augenblick stutzte Hartfort.
»Ein Fachmann von Ihrer Bedeutung«, hatte Bruck zu ihm gesagt. Bevor er noch weiter darüber nachdenken konnte, fuhr der bereits fort.
»Gerade Sie, Herr Professor, der Sie den gewaltigen Apparat des
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