Lee, Julianne
gab es eine weitere Explosion, und ein aufspritzender Stein traf sie an der Stirn. Sie taumelte, mit einem Schlag in die Realität zurückgerissen, und begriff, dass sie sich direkt in der Schusslinie befand. Hastig eilte sie den Lawnmarket hinunter. Mit einer Hand betastete sie die Wunde und stellte fest, dass sie stark blutete. Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie unterdrückte sie. Jetzt war der falsche Augenblick, um endgültig zusammenzubrechen.
Mit Flinten und Musketen bewaffnete Männer, viele in Kilts, rannten durch die Straßen. Jedes rötlich braune Plaid ließ ihr Herz höher schlagen. Sie hoffte verzweifelt, Ciaran unter den Männern zu entdecken.
Plötzlich packte sie jemand am Arm und riss sie herum. »Leah!«
Ihr stockte der Atem. Es war tatsächlich Ciaran. Er trug eine
blaue Kappe, unter der seine widerspenstige Haarsträhne hervorlugte, und hatte sich eine Muskete über die Schulter geworfen Leah konnte sich nicht länger beherrschen. Sie brach in Tränen aus und schlang die Arme um seinen Hals. Sie war so erleichtert ihn lebendig und unversehrt wieder zu sehen, dass es sie nicht störte, ob jemand sie sah oder nicht. Die Leute, die an ihr vorüberrannten, schenkten ihr ohnehin keine Beachtung.
Ciaran trat erschrocken einen Schritt zurück, als er das Blut auf ihrem Gesicht entdeckte. »Du bist ja verletzt!« »Halb so schlimm. Gott sei Dank, dass dir nichts geschehen ist.« »Und dir auch nicht.« Er küsste sie, dann tupfte er mit dem Finger Tränen und Blut von ihrem Gesicht. »Tut es sehr weh?« »Nein.«
Wieder küsste er sie, dann hob er die Stimme, um den Kanonendonner zu übertönen. »Och, Leah, ich kann nicht bleiben. Ich muss mich um meine Leute kümmern. Nach der Schlacht wollte ich dich besuchen, aber der Prinz hat befohlen, dass ich mit meinen Männern die verwundeten und gefangenen Rotröcke bewache.« Er blickte sich nach der Burg um. »Und jetzt das! Ich muss gehen.« Er gab ihr noch einen raschen Kuss, dann wandte er sich ab.
Doch Leah hielt ihn am Arm fest, und als er sich wieder umdrehte, hielt sie ihm die weiße Rose hin, die sie der Alten abgekauft hatte. »Hier, nimm das.« Er senkte den Kopf, und sie befestigte das Abzeichen an seiner Kappe. Dann sagte sie leise: »Ciaran, versprich mir, dass du zu mir zurückkommst.«
Ein verwirrter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Leah musste lächeln. Wie leicht er doch zu durchschauen war! »Leah, es ist Krieg. Ich kann nicht...«
»Sag es einfach. Ich kann den Gedanken, du könntest fallen, nicht ertragen.«
Ein kleiner Funke leuchtete in seinen Augen auf. »Aye. Dann verspreche ich dir hiermit, dass wir uns wiedersehen werden. Hier.« Er griff in die Ledertasche, die an seinem Gürtel hing.
nahm seinen Rosenkranz heraus und drückte ihr die Kette aus Elfenbeinperlen mit dem kleinen goldenen Kruzifix daran in die Hand. »Bewahre ihn für mich auf und gib ihn mir wieder, wenn alles vorbei ist.«
Leah zog zweifelnd die Brauen hoch.
»Du sollst nicht damit beten«, erklärte er rasch. »Heb ihn auf-als Andenken.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast mich missverstanden. Ich meine, ich weiß doch, wieviel er dir bedeutet.«
Ein leises Lächeln spielte um seinen Mund. »Dann hoffe ich, dass du gut darauf aufpassen wirst. Wenn ich ihn behielte, würde er zerstört werden oder verloren gehen.« Ein paar vorübereilende Männer rempelten sie an, und Ciaran musste Leah festhalten, damit sie nicht zu Boden gerissen wurde. Er sah ihr tief in die Augen, und sie hoffte inständig, er könne dort all das lesen, was sie nicht laut auszusprechen wagte.
Schließlich nickte er, küsste sie ein letztes Mal und wandte sich
dann ab. Leah sah ihm nach, bis er von der Menge verschluckt
wurde, den vielen Leuten, die sich inzwischen eingefunden hatte,
um die Verwundeten aus den Trümmern zu bergen und zu versorgen.
12. KAPITEL
Eine große Stahlbrosche lag inmitten von anderem Krimskrams auf seiner Kommode - neben Manschettenknöpfen, alten Theaterkarten, Kugelschreibern. Er pflegte sie an Tagen zu tragen, an denen er das Gefühl hatte, sie könne ihm nützlich sein, doch heute legte er sie nach kurzer Überlegung wieder an ihren Platz zurück.
Die Bombardierung Edinburghs nahm ihren Lauf. Leah saß im Wohnzimmer des Hadley-Hauses und lauschte dem Kanonendonner in der Ferne, als Martha von einem Besuch bei Freunden zurückkehrte und vor Neuigkeiten übersprudelte. Ihr waren Gerüchte zu Ohren gekommen, denen zufolge das Artilleriefeuer
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