Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
herangehen, hörte dann aber hinter sich ein Rascheln und wandte sich seiner Gastgeberin zu.
Sie deutete eine um Entschuldigung heischende Geste an -eine knappe Bewegung mit ihren schmalen Händen – und begab sich an den Schreibtisch. Olanek folgte ihr.
»Wenn Sie die Güte hätten, diese Nachricht zu lesen … Ich sollte wohl hinzufügen, dass Sie via Pin-Beam übermittelt wurde und erst kürzlich hier eintraf.«
CAPTAIN SHAN YOS’GALAN GRÜSST ELDEMA YOS’GALAN, stand dort in grellen gelben Lettern. Es war die förmliche Einleitung eines Briefes, den ein Bruder an seine Schwester schrieb – aber es sollte doch um geschäftliche Interessen gehen. Olanek nippte an seinem Brandy und las weiter.
Nachdem er die gesamte Botschaft gelesen hatte, stand er eine Weile schweigend da. Als er dann sprach, legte er einen eisigen, empörten Klang in seine Stimme und befleißigte sich des vornehmsten Dialekts. »Plemia findet diesen Ulk keineswegs amüsant, Eldema. Wir verlangen …«
»Nein«, schnitt sie ihm gelassen das Wort ab, »Sie verlangen gar nichts. Es ist nachvollziehbar, dass mein Bruder sich einen solchen Streich ausdenken und in die Tat umsetzen könnte. Aber es erscheint mir höchst unwahrscheinlich, dass er nur zum Spaß eine offizielle Anklage dieser Art erhebt. Er schreibt in seiner Eigenschaft als Captain der Dutiful Passage und bittet seine Erste Sprecherin um Weisung.« Sie schöpfte tief Atem, und in den Saphiren, die sie um den Hals trug, brach sich glitzernd das Licht der Flammen. »Mein Bruder ist kein Dummkopf, Eldema. Er weiß sehr genau, was er tut, und kalkuliert die Konsequenzen seiner Handlungen akribisch. Ich denke, er hat dies oft genug bewiesen, als er selbst das Amt des Ersten Sprechers bekleidete.
Sie müssen wissen, dass Mr. dea’Gauss sich während des Angriffs auf der Brücke der Passage befand. Ich überlasse es Ihnen zu beurteilen, ob dieser Mann einen Vorwurf solchen Ausmaßes unterstützen würde, wäre nicht jedes Detail absolut korrekt.«
»Ich möchte mit Mr. dea’Gauss sprechen.«
»Das bleibt Ihnen selbstverständlich unbenommen«, erwiderte sie ruhig. »Ich habe ihn bereits davon unterrichtet, dass er sich schnellstmöglich zu diesem Zweck hier einzufinden hat.«
»Sie wären klug beraten, wenn Sie das Schiff Ihres Bruders ebenfalls zurückbeordern würden«, beschied er ihr mit drohendem Unterton.
Sie wölbte die Brauen. »Dazu sehe ich keinen Anlass. Das Ende der Reise steht kurz bevor. Captain yos’Galan hat den Rat seiner Ersten Sprecherin erhalten, wie es seinem Wunsch entsprach. Natürlich bezieht sich die Empfehlung nur auf die unmittelbare Situation.« Aus ihren violetten Augen blickte sie ihn vielsagend an. »Es bedarf wohl nicht der Erwähnung, dass Plemia umsichtig und ehrenhaft vorgehen und eigene Erkundigungen einziehen wird. Korval verlässt sich darauf.«
So von einem halbwüchsigen Mädchen belehrt zu werden, während er selbst schon Erster Sprecher – jawohl, und Delm! -gewesen war, als sie noch gar nicht das Licht der Welt erblickt hatte, fuchste ihn ungemein. Aber er bewahrte Haltung, nippte an seinem zur Neige gehenden Getränk und deutete eine Verbeugung an.
»Plemia wird sich zuerst ein eigenes Urteil bilden, wie es sich gehört, ehe wir mit Korval in weitere Verhandlungen treten.« Er legte eine Kunstpause ein. »Ich erlaube mir die Frage, ob Korvals Erste Sprecherin in ihrer Weisheit Captain yos’Galan geraten hat, sich in seinen Aktionen zu … mäßigen, bis die genauen Umstände dieses Vorfalls geklärt sind.«
Nova yos’Galan neigte ihr Haupt. »Genau in diesem Sinne hat die Erste Sprecherin Captain yos’Galan unterwiesen. Ich bin sicher, dass Plemia Captain yo’Vaade in ähnlicher Weise beraten wird.«
»Selbstverständlich«, knurrte er durch zusammengebissene Zähne.
Die junge Frau verbeugte sich und lächelte. »Damit wäre die geschäftliche Angelegenheit erledigt, Eldema. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. Genießen Sie weiterhin das Fest.«
Olanek bezweifelte, dass ihm dies gelingen würde.
Schiffsjahr 65, Reisetag 155, Zweite Schicht, 6.00 Uhr
K ayzin Ne’Zame war eine gründliche und gewissenhafte Lehrerin – und sie war resolut. Priscilla hatte schon bald das Gefühl, ihr Kopf würde platzen, weil sie all die Informationen nicht mehr aufnehmen konnte. Es gab schrecklich viel zu lernen.
Sie musste sich beeilen, damit sie nicht zum Pilotentraining beim Captain zu spät kam.
Der Captain! Sie flitzte in den
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