Leg dein Herz in meine Haende
respektieren. Er hätte dir das Weideland verkaufen sollen, wie sein Vater es dir versprochen hatte. Das Wort eines Mannes sollte ihm heilig sein.«
»Das scheint dem jungen Mr Wells aber leider nicht bekannt zu sein«, bemerkte Grace.
»Du wirst deine Ranch schon finden«, tröstete sie Jessica. »Wir werden uns zuerst das Land bei Denver ansehen, und falls es nicht das ist, was du dir vorgestellt hast, habe ich gehört, dass es auch sehr gutes Weideland in Kalifornien geben soll.«
»Es ist so viel zu tun, und die Zeit läuft mir davon. Ich habe nur noch sieben Monate, um Land und Vieh zu kaufen. Wenn ich das nicht schaffe, bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als meine Niederlage einzugestehen und nach England zurückzukehren. Wenn ich hier nicht so viel Zeit vergeudet hätte, könnte ich längst in Denver sein.«
»Ich bin froh, dass du nach Rockford Falls gekommen bist. Wenn nicht, wären wir uns nie begegnet, und ich glaube, wir sind gute Freundinnen geworden.«
Grace ergriff Jessicas Hand. »Sehr gute Freundinnen sogar.«
»Und jetzt werden Caleb und ich mit dir nach Colorado fahren. Etwas Gutes ist also doch dabei herausgekommen, nicht?«
»Würdet ihr bitte aufhören, euch wie kleine Kinder zu benehmen? Jessica, gehen Sie jetzt endlich zu den beiden Marshals!«
Tillys Ungeduld verhinderte jede weitere Verzögerung. Jessica straffte die Schultern und eilte zur Eingangstür. Sie hatte das Gefühl, zu ihrem eigenen Prozess zu gehen, was natürlich vollkommen absurd war. Sie brauchte die Marshals bloß davon zu überzeugen, dass sie nichts gesehen hatte.
Ihre Hand zitterte, als sie nach dem Türknauf griff.
»Guten Abend, die Herren. Entschuldigen Sie, dass ich Sie warten ließ.«
Sie blieb in der Tür stehen, aber ihre Hand umklammerte den Türknauf, und sie sah aus, als ob sie jeden Augenblick die Flucht ergreifen würde. Aus Erfahrung wusste Daniel Ryan, dass Ordnungshüter den Leuten Angst einjagten, und deshalb erhob er sich rasch und versuchte, sie zu beruhigen.
»Es wird nur ein paar Minuten dauern«, sagte er freundlich.
Sie schaute von einem Marshal zum anderen. Keiner der beiden lächelte. Marshal Ryan sah ernst aus, aber Marshal Clayborne wirkte her gelangweilt, so wie er am Geländer der Veranda lehnte. Wahrhaftig, Tilly hatte Recht gehabt... Beide Männer waren ungeheuer maskulin.
»Es ist reine Routine«, bemerkte Cole.
Sie nickte. »Ja, das verstehe ich schon.«
Er lächelte. »Es wäre wahrscheinlich einfacher, wenn Sie auf die Veranda kämen.«
Sie holte tief Luft und ermahnte sich, mit dem Zittern aufzuhören, als sie zu einem der Korbsessel ging und sich hinsetzte. Sie faltete die Hände auf dem Schoß und presste Knie und Knöchel zusammen, um das Zittern in ihnen zu unterdrücken. Dann schaute sie die beiden Marshals erwartungsvoll an.
»Vielleicht sollten wir uns zunächst einmal richtig vorstellen«, begann Ryan und zog sich einen Stuhl heran, um sich ihr gegenüber hinzusetzen.
»Das ist nicht nötig. Ich weiß, wer Sie sind. Sie sind Marshal Daniel Ryan, und er ist Marshal Cole Clayborne. Wir sind uns im Gefängnis begegnet - oder haben Sie das schon vergessen?«
Ryan hockte sich rittlings auf den Stuhl, und Cole blieb ein paar Schritte hinter ihm stehen.
Sie starrte zu ihm auf. »Sie sehen überhaupt nicht wie ein Ordnungshüter aus«, entfuhr es ihr. Dann richtete sie den Blick auf Ryan. »Sie auch nicht.«
»Und wie sehen wir aus?«, fragte Cole.
»Wie Banditen.«
Cole lachte. »Wir sehen wie Banditen aus?«
Dass beide lächelten, half ein wenig, und Jessica begann sich zu entspannen. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn auch Cole sich hingesetzt hätte. Der Mann ragte vor ihr auf, und die dunklen Bartstoppeln um sein Kinn ließen ihn noch bedrohlicher erscheinen. Daniel sah genauso verwildert aus. Sie musste sich ins Gedächtnis rufen, dass beide Männer Marshals waren und es ihre Pflicht war, unschuldige Bürger zu beschützen. Sie brauchte ihnen nur klar zu machen, dass sie in diese Kategorie gehörte.
»Ich habe nichts verbrochen.«
Daniel nickte. »Das wissen wir. Die meisten Leute sind in Gegenwart von Ordnungshütern nervös. Ich weiß nicht, warum das so ist.«
»Ich schon«, entgegnete sie. »Denn schließlich haben Sie die Macht, mich einzusperren«, erklärte sie.
»Nicht ohne einen triftigen Grund«, versetzte er.
Spöttisch zog sie eine Braue hoch. »Ach, wirklich? Ich saß heute Nachmittag im Gefängnis, und da hatten Sie auch keinen
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