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Lehmann, Sebastian

Lehmann, Sebastian

Titel: Lehmann, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Genau mein Beutelschema
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beobachte Dr. Alban, der sich nicht anmerken lässt, dass er etwas ganz Ähnliches erlebt hat.
    »Yeah, yeah, yeah«, ruft der große Bruder und trippelt nervös von einem auf den anderen Fuß. Die ganze Energie des motivierten und innovativen Freelancers durchschüttelt seinen zierlichen Hipsterkörper. Und jetzt erkenne ichdie beiden auch: Es sind die zwei Typen, deren Gespräch ich damals bei der Galerieeröffnung in der Reuterstraße, als das mit Christina losging, mitgehört habe. Sie sind tatsächlich hier hängengeblieben – bis jetzt sind sie die Einzigen.
    »Na dann«, sagt Dr. Alban mehr zu sich selbst. Wir verabschieden uns von den Art-Brüdern und wandern zurück zur Kurfürstenstraße.
    »Da hast du doch was für deinen Artikel«, sagt der Doktor.
    »Das glaubt mir doch keiner, wenn ich das schreibe: Hipster werden auf unerklärliche Weise nach Tiergarten verschleppt, und wenn sie schon mal da sind, kuratieren sie halt hier vor sich hin. Das ist doch Schwachsinn. Außerdem machen sie offensichtlich gar nichts.«
    Der Doktor schnaubt verächtlich und nimmt seine Brille von der Nase. »Wer macht denn überhaupt was in Berlin? Außer davon zu reden, was zu machen?«
    Dann steigt er die Treppen zur U-Bahn hinunter und fährt zurück nach Neukölln. Dr. Alban hat einfach immer recht.

14
MARRIED ... with CHILDREN
    Kurt ruft mich aus dem Krankenhaus an. Es ist mitten in der Nacht – oder vielmehr ziemlich früh am Morgen, aber das fühlt sich für mich gleich an. Ich liege neben Christina in ihrem Zimmer auf der Matratze. Sie ist vom Klingeln meines Handys kurz aufgewacht, aber sofort wieder eingeschlafen. Ein Junge, erzählt Kurt, heute Nacht kam er. Alle sind gesund, keine Komplikationen, jetzt schläft der Kleine und die Mutter auch. Er klingt müde und glücklich.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sage ich. »Sagt man doch, oder?« Ich habe keine Ahnung, wie man mit so was umgeht, Kurt ist der erste Freund von mir, der ein Kind bekommt. Das letzte Baby, mit dem ich zu tun hatte, war ich selbst.
    »Na klar! Danke. Ich glaube, ich leg mich auch mal hin.« Schon lange habe ich Kurt nicht mehr so gutgelaunt erlebt. Ich kündige einen Besuch in den nächsten Tagen an, und wir verabschieden uns.
    Draußen ist es schon ziemlich hell, durchs offene Fenster höre ich Vogelgezwitscher, ein weiterer schöner Sommertag beginnt. Ich schaue auf mein Handy, in einer Stunde muss ich aufstehen. Heute ist der 23. Juli. Das Datum muss ich mir ab jetzt merken.
    Ich blicke zu Christina und merke, dass sie wach ist und mich verschlafen anblinzelt.
    »Kurt ist jetzt Vater«, flüstere ich.
    Christina lächelt. Ihre blonden Haare stehen niedlich verwuschelt ab. Sofort denke ich darüber nach, wie es wäre, mit ihr ein Kind zu haben. Ein völlig absurder Gedanke, wir kennen uns ja erst kurz, aber wahrscheinlich fragt man sich das eben, wenn der beste Freund gerade Vater geworden ist.
    »Irgendwie ist das komisch. Kurt ist zwar genauso alt wie ich, aber wenn ich über Kinder nachdenke, dann habe ich das Gefühl, dass das noch gar nichts mit mir zu tun hat.«
    »Das kommt bestimmt bald«, sagt Christina leise.
    »Wer weiß. Wenn ich zum Beispiel bei einer Familienfeier bin, würde ich mich immer noch an den Kindertisch setzen und nicht zu den Erwachsenen. Ich fühle mich am Kindertisch ziemlich wohl, da kann ich doch nicht schon selbst Kinder in die Welt setzen.«
    »Das Gefühl kenn ich.« Christina lacht. »Aber ich bin ja auch viel jünger als du.«
    »Immer mit dem Finger in die Wunde.« Wir küssen uns. Und dann haben wir Sex.
    »Komisch«, sage ich danach zu Christina. »Eigentlich macht man das ja, um Kinder zu bekommen. Vergisst man aber die ganze Zeit.«
    »Darüber möchte ich jetzt wirklich nicht nachdenken!« Sie schubst mich von der Matratze auf die kalten Dielen.
    »Ich mein ja nur. Wenn wir katholisch wären, hätten wir gerade eine Todsünde begangen.« Ich rolle wieder zurück auf die Matratze unter die Decke.
    »Ich bin katholisch«, sagt Christina.
    »Stimmt, ich auch. Ob überhaupt jemand ausschließlich nur Sex hat, um Kinder zu kriegen?«
    »Kennst du diesen einen Sketch von Monty Python?«, fragt Christina. »Da gibt es so eine riesige katholische Familie mit vierhundert Kindern, die eine Art Musical aufführen und dazu singen: ›Every sperm is sacred.‹ Und dann sieht man ein evangelisches Pärchen in ihrer Wohnung, die das Ganze beobachten, und der Mann sagt, dass diese Katholiken jedes Mal ein Kind

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