Lehrer-Deutsch - Deutsch-Lehrer
Trocknen zu beobachten ist noch wesentlich aufregender. Für den ungeschmälerten Genuss dieser kollektiven Entspannung beachten Sie bitte folgende Punkte:
1. Bereiten Sie sich gut auf die Sitzung vor.
2. Wählen Sie einen Sitzplatz, der vom Schulleiter schlecht oder gar nicht einsehbar ist, und machen es sich dort bequem. Dass für den Schulleiter etwas nicht einsehbar ist, kommt zwar häufig vor, hier handelt es sich aber um eine der seltenen Situationen, in denen dies positiv bewertet werden kann.
3. Sichern Sie Ihre Grundversorgung: Schokolade, Müsliriegel, kleine Snacks. Warme Mahlzeiten werden von den Sitznachbarn nicht gerne gesehen beziehungsweise gerochen. Dasselbe gilt für alkoholische Getränke, falls Sie nicht bereit sind, davon etwas abzugeben. Besser ist es, Getränke zu tarnen. (Mit etwas Geduld lässt sich auch ein Weizenbier in einen Tetrapack abfüllen. Gegebenenfalls lassen Sie sich von Typ A helfen – er beherrscht das.)
4. Für die gelegentlich vorkommenden unruhigeren Phasen der Konferenz empfiehlt sich die Vorbereitung einer leichten, entspannenden Beschäftigung: Korrigieren Sie ein bisschen oder lösen Sie ein Sudoku. Für den Schulleiter sieht das so aus, als würden Sie sich Notizen zur Sitzung machen – und das wertet er positiv. Falls Sie lieber Zeitung lesen, kopieren Sie diese vorher am besten auf das unauffällige DIN-A4-Format der Sitzungsunterlagen.
Tipp für Schüler:
Achtung! Unmittelbar vor Lehrerkonferenzen ist mit erhöhtem Aufkommen von Stegreifaufgaben zu rechnen.
5. Organisieren Sie den kollegialen Wachdienst. Üblich ist die Weitergabe der Wache nach 30 Minuten. Der Wachdienst hat drei Aufgaben: Er passt auf, dass der Schulleiter nicht auch noch einschläft, sich das Ende der Sitzung rechtzeitig unter den Teilnehmern herumspricht und – weckt den Schiedsrichter der Finalwette.
Die Finalwette
Die Teilnehmer hinterlegen vor der Sitzung beim Schiedsrichter einen zusammengefalteten Zettel mit ihrem Namen und der genauen Uhrzeit, zu der sie das Konferenzende erwarten. Außerdem ihren Wetteinsatz, zum Beispiel einen geringen Geldbetrag, der von allen gemeinsam festgelegt wird, oder die Bestätigung, eine Pausenaufsicht zu übernehmen. Sieger ist der Kollege, dessen Voraussage dem tatsächlichen Sitzungsende am nächsten kommt. Er erhält den gesamten Wetteinsatz. (Bei der kollegialeren Variante bekommt der Sieger nur seinen Wetteinsatz zurück. Alle restlichen Wetteinsätze werden am Schuljahresschluss verfeiert, was die Corporate Identity ganz entscheidend stärkt.)
Wichtig
Damit keiner das Ergebnis manipulieren kann, ist es den Wettteilnehmern unter gar keinen Umständen erlaubt, Diskussionsbeiträge zu leisten.
Das bedeutet: Je mehr Lehrer teilnehmen, desto kürzer ist die Sitzung.
6. Beteiligen Sie sich unbedingt an der Finalwette. Sie ist ein bewährtes und probates Mittel, die Dauer von Konferenzen deutlich zu verkürzen.
Beachten Sie alle diese Punkte, müsste die Sitzung für Sie eigentlich stressfrei sowie zügig vorübergehen. Sicher gibt es manchmal Irritationen: Man berät, ob man den Schüler XY, dessen beste Note eine Vier in Sport ist, nicht doch auf Probe vorrücken lässt. Der Klassenleiter (Typ B) gibt zu bedenken, dass der Schüler fast nie anwesend gewesen sei. So gesehen seien seine Leistungen in einem ganz anderen – nämlich positiven – Licht zu sehen. Gute Noten bei permanenter Anwesenheit zu erhalten, sei schließlich keine Kunst. Kurz sieht es so aus, als könnte sich hier eine zeitraubende Diskussion entwickeln, weil manchen Kollegen dieses Prinzip der relationalen Benotung noch nicht bekannt ist.
Rettung kommt vom Mathematiklehrer, der glasklar vorrechnet, dass ein Notendurchschnitt von 5,2 bei 75 Prozent Fehlstunden einem Notendurchschnitt von 1,3 bei (fiktiver) hundertprozentiger Anwesenheit entspricht. XY wird durchgewinkt und bekommt den Buchpreis als Klassenbester. (Da sein Interesse für Bücher allerdings nicht sehr stark ausgeprägt ist und er schon ein Buch besitzt, nämlich das Manual zu Counter Strike 3.1., verkauft er das Buch günstig an den Zweibesten, der trotz hundertprozentiger Anwesenheit den Notendurchschnitt von 1,5 geschafft hat.)
Prinzip der relationalen Benotung(klassischer Dreisatz)
Notendurchschnitt (gemessen):
5,2
Relativer Notendurchschnitt (gefühlt):
x
Anwesenheit (gemessen):
25 Prozent
Anwesenheit (fiktiv):
100 Prozent
Ansatz:
25 : 100 = x : 5,2
Auflösen nach x:
100x = 25 · 5,2
100x =
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