Leiche - oben ohne
knurrte ich. »Joes
Partner hat mich beauftragt, Jerome Lansing.«
»Ich habe lange nichts von
Jerome gehört«, murmelte er. »Wohnt er noch in diesem Dachgarten am Sutton
Place?«
»Ja.«
»Ist Cleever noch bei ihm?«
»Das weiß ich nicht«, brummte
ich und gab mir Mühe, meine Ungeduld zu zügeln. »Was ist nun?«
»Ein kleiner Kerl, so wie ich«,
fuhr er ungerührt fort. »Sieht aus, als gehöre er in ein Ballett.«
»Walt?« erinnerte ich mich
plötzlich.
»Walt Cleever.« Er schien
erfreut. »Das ist er.«
»Er war in der Wohnung«, knirschte
ich. »Außerdem gab’s noch einen Bruder und einen Chauffeur, der aussah wie eine
Ein-Mann-Mafia. Weiter hab’ ich niemand kennengelernt, aber ich kann Ihnen die
Teppiche beschreiben, wenn Sie wollen.«
Das Metronom begann wieder zu
schwingen, wobei der Rauch aus der Zigarre abstrakte Figuren in die Luft
zauberte. Nachdenken schien hier ganz groß geschrieben zu werden, bei Charlie
sowohl wie bei ihm.
»Hat Lansing Ihnen nahegelegt,
mit mir zu sprechen?« fragte er schließlich.
»Nein«, sagte ich.
Seine Brauen zogen sich
zusammen. »Sie haben meinen Namen doch sicherlich nicht geträumt?«
»Slaters frühere Frau, Roberta
Carrol, hat mir von Ihnen erzählt«, antwortete ich widerstrebend.
»Sie war eine feine Frau«,
sagte er abwesend. »Viel zu fein für Joe. Er pflegte seine Frauen zu schlagen,
und das konnte er sich auch bei ihr nicht abgewöhnen. Es war eins seiner
schwierigsten Probleme, als er sich zum feinen Mann mausern wollte: Er konnte
einfach nicht begreifen, daß nicht alle Frauen Dirnen sind.«
»Jetzt hören Sie mal her«,
schimpfte ich. »Nachgerade habe ich Ihnen so ziemlich alles erzählt, was ich
weiß. Wie wär’s denn, wenn Sie mir nun auch mal ein paar Informationen zukommen
ließen?«
»Der arme alte Joe.« Nun
blickte er noch trauriger drein als zuvor. »Er hatte halt kein Format. Er hatte
Mumm, und man konnte sich auch auf ihn verlassen — aber Format hatte er keins.
Ich glaube, aus diesem Grund hat ihn Duke auch nur zum Juniorteilhaber gemacht,
als die Regierung darauf bestand, daß er nach Europa auswanderte.«
»Machen wir hier in
Gesellschaftsklatsch, oder versuchen Sie etwa gar, mir Neuigkeiten zu
berichten?« fragte ich mit brüchiger Stimme.
»Für mich ist es eine angenehme
Konversation«, sagte er freundlich. »Und überdies reden wir ja von lauter
Tatsachen. Ich habe sehr viel für Tatsachen übrig, Mr. Boyd. Selbst in einer
höflichen Konversation sind sie erfreulich, und wenn es gar um Geschäfte und
Abmachungen geht, sind sie absolut unerläßlich. Habe ich recht?«
In seinem ganzen Gebrabbel war
nur ein Wort, aus dem sich vielleicht etwas machen ließ — sagte ich mir —, und
daher wiederholte ich es laut: »Was für Geschäfte?«
»Sie haben eine gute
Auffassungsgabe, Mr. Boyd, wenn sie freilich auch nur recht einseitig
entwickelt ist.« Er zeigte mit der Zigarre auf mich. »Ein ebenso einfaches wie
sauberes Geschäft. Sie verraten mir, wo Sie Lucia Borman in Sicherheit gebracht
haben, und ich verrate Ihnen, wer Joe Slater umgebracht hat.«
Er lehnte sich in dem Sessel
zurück, der viel zu groß für ihn war. Sein schlaues kleines Affengesicht blieb
unbewegt, als er mich unverwandt anstarrte.
»Und woher soll ich wissen, daß
Sie die Wahrheit sagen?« sagte ich im Versuch, Zeit zu gewinnen.
»Dies müssen wir wohl beide
beweisen«, gab er zu. »Zum Beispiel, indem wir dorthin fahren, wo Sie das Mädchen
untergebracht haben. Dann, wenn ich sie gesehen habe, nenne ich Ihnen den Namen
des Mörders von Joe Slater — und die Beweise liefere ich Ihnen dazu.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte
ich.
Seine Schultern zuckten. »Guten
Tag, Mr. Boyd.«
»Guten Tag, Mr. Fordyce.« Ich
schob den Sessel zurück und stand auf. Er zog kräftig an der Zigarre und hüllte
sich wieder in Rauch.
Ich schlug die Tür seines
Zimmers hinter mir zu, marschierte an den verlassenen Schreibtischen vorüber
und trat auf die Treppe hinaus. Charlie, der Gorilla, stand unten und las
Comics. Er blickte gelangweilt auf, als ich bei ihm ankam, dann konzentrierte
er sich wieder auf sein Heftchen.
»Warum haben Sie denn zu denken
aufgehört, Charlie?« fragte ich. »Hat’s weh getan?«
Er schloß das Heft, faltete es
sorgsam und steckte es ein. »Mir scheint, Sie sind sich mit Mr. Fordyce nicht
ganz einig geworden?«
»Mr. Fordyce gehört in einen
Zoo«, knirschte ich, »damit er Bananen schälen und die Leute mit den
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