Leiche - oben ohne
die
großen Reifen — und da hörte ich es klicken: Jemand öffnete die Tür. Mein Kopf
fuhr so schnell herum, daß ich mir ums Haar das Genick gebrochen hätte. Ich
sah, wie die Tür weit aufging, und zwei Sekunden später schob sich ein
lohfarben gelockter Kopf vorsichtig um die Kante.
»Ich bin schon wach«, schnarrte
ich.
»Danny!« Roberta Carrol kam ins
Zimmer und schloß eilends wieder die Tür. »Was ist denn passiert?«
»Darüber mach dir keine
Gedanken«, erklärte ich ihr. »Nimm mir lieber die Fesseln ab.«
Ich spürte ihre Finger ein
Weilchen an meinen Handgelenken fummeln, dann sagte sie: »Ich kriege sie nicht
auf, die Knoten sind zu fest.«
»Dann schneid sie durch«, rief
ich.
»Womit denn?«
Es gab ein häßliches Geräusch,
das meine mahlenden Kiefer verursachten, dann brachte ich mich mühsam wieder
unter Kontrolle. »Mit etwas Scharfem vielleicht?« schlug ich vor. »So wie eine
Schere, ein Messer oder eine Rasierklinge.«
»Ich hab’ aber nichts von all
dem da.« Ihre Stimme klang beleidigt. »Und schrei mich gefälligst nicht so an.«
»Okay«, murmelte ich. »Dann schau
doch bitte mal in den Schreibtischschubladen nach, hm?«
Ich beobachtete voll Ungeduld,
wie sie den Schreibtisch durchsuchte. Sie trug ein weißes Brokatkostüm mit
passenden Schuhen und wirkte überaus elegant — was mir im Augenblick überaus
gleichgültig war. Plötzlich richtete sie sich auf und hielt triumphierend einen
Brieföffner hoch. »Hier, sieh mal.«
Ich schloß einen Moment die
Augen. »Prüf die Schneide mit dem Daumen«, sagte ich.
»Oh.« Sie schien enttäuscht.
»Er ist stumpf.«
Nach einer Weile, die mir über
Gebühr lang erschien, richtete sie sich erneut auf. »Tut mir leid, Danny«,
klagte sie, »aber ich finde nirgends was, womit man schneiden kann.«
Ich hatte plötzlich eine
brillante Idee. »Auf dem Schreibtisch steht doch eine Kiste Zigarren, nicht
wahr?«
Sie sah nach und nickte.
»Stimmt.«
»Steck dir eine an«, sagte ich.
»Was?« Ihre Augen wurden ganz
groß und starrten mich an, als sei ich soeben übergeschnappt.
»Du kannst das Seil nicht
durchschneiden«, erklärte ich, »aber du wirst es doch mit dem brennenden Ende
einer Zigarre durchbrennen können, oder?«
»Oh?« Sehr begeistert war sie
nicht. »Vielleicht finde ich draußen doch noch ein Messer.«
»Steck die verdammte Zigarre
an!« brüllte ich. »Fordyce und sein Gorilla können jeden Augenblick wieder
aufkreuzen!«
Sie streifte das Cellophan von
der Zigarre, betrachtete sie zweifelnd und nahm ein Ende vorsichtig zwischen
die Lippen. Ich sah müde zu, wie sie ein Zündholz anbrannte, die Flamme ans
andere Zigarrenende hielt, zog und hustete, zog und spuckte, zog und prustete —
bis das Ding endlich brannte. Dann kam sie um den Schreibtisch und hielt die
Zigarre weit vorgestreckt, als sei’s eine Stange Dynamit samt brennender Lunte,
und damit verschwand sie nach hinten aus meinem Blickfeld. Ein paar Sekunden
später roch ich versengten Hanf, und die riesigen Reifen schrumpften ein
Stückchen zusammen.
»Danny? Ich fürchte, sie geht
aus.«
»Dann zieh ein paarmal dran.«
»Muß ich wirklich?«
»Ja, du mußt.«
Ich lauschte hörspielreifen
Geräuschen — Husten, Prusten, halbersticktem Keuchen —, und dann drang wieder
Brandgeruch in meine Nase. »Wieso bist du überhaupt hergekommen?« fragte ich.
»Ich dachte, du seist mir gestern abend ausgerückt, weil du keine Lust hattest,
nach Manhattan zurückzukehren?«
»Ich wollte«, antwortete sie
schüchtern. »Ich meine, ich wollte nicht. Nein, ich meine, ich wollte
ausreißen, weil ich nicht zurückfahren wollte.«
»Nachdem du gründlich dafür
gesorgt hattest, daß ich tief schlief«, klagte ich.
»Ich bin ja auch eingeschlafen«
murmelte sie. »Obwohl das gar nicht vorgesehen war. Aber ich bin vor dir wach
geworden, gegen sieben, und du hast noch fest geschnarcht, also war ja alles in
Ordnung.«
»Ich schnarche nicht!«
»Haha!«
»Und weil wir gerade vom
Schlafen reden«, brummte ich, »ich schlafe jedenfalls nicht mit einem
Nylonnachthemd als Halskrause. Ich... auaaah!«
»Oh, es tut mir leid«, sagte
sie zuckersüß. »Die Zigarre ist vom Seil abgerutscht. Aber ich glaube nicht,
daß sie viel Schaden angerichtet hat — jedenfalls brennt dein Arm noch nicht.
Was wolltest du noch sagen?«
»Nichts, gar nichts. Und mach
dir keine Sorgen wegen meines Arms — ein Brandfleck dritten Grades ist nicht
weiter schlimm. Es tut nur weh, wenn ich
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