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Leiche - oben ohne

Leiche - oben ohne

Titel: Leiche - oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Wicht eigentlich recht
sympathisch. Aber dann mußte er hingehen und mir den ganzen Spaß verderben.
»Steck ihm einen Daumen ins Auge«, schlug er vor, »und dann drück’s heraus.«
    Charlie trat einen Schritt auf
mich zu und hob die rechte Hand. Der gewaltige Daumen war noch etwa zwanzig
Zentimeter von meinem linken Auge entfernt, als ich schrie: »Aufhören!«
    »Das Mädchen?« fragte Fordyce
gleichmütig.
    »Long Island«, sagte ich,
derweil sich in Charlies Augen arge Enttäuschung breitmachte und er den Daumen
wieder sinken ließ.
    Für ein Weilchen hatte ich zu
tun, ihnen die genaue Lage des Hauses zu beschreiben — und wie sie es am
schnellsten finden konnten. Ich sagte mir, daß sie gewiß schön fluchen würden,
wenn sie hinkamen und es leer fanden, aber immerhin blieb mein Augenlicht dann
noch ein paar Stunden erhalten. Und dies schien mir im Moment das Wichtigste.
    Fordyce stand auf und kam um
den Schreibtisch. Er war bestimmt nicht größer als 1,55 Meter. »Wir fahren
jetzt sofort hin«, sagte er kurz. »Hol den Wagen, Charlie.«
    »Und was wird mit ihm?« fragte
der Gorilla.
    »Du hast ihn recht gut an den
Stuhl vertäut.« Fordyce musterte mich kritisch. »Er bleibt hier, bis wir zurück
sind. Wenn er will, kann er gern schreien — wer soll ihn hier oben schon
hören?«
    »Niemand.« Charlie nickte
befriedigt und trollte sich.
    »Das Mädchen wird uns über Sie
Auskunft geben, Boyd«, sagte der Affe leichthin. »Wenn Sie die Wahrheit gesagt
haben, lasse ich Sie laufen, sobald wir wieder da sind.«
    »Das ist wirklich nett von
Ihnen«, sagte ich bitter.
    »Aber wenn das Mädchen nicht
dort ist« — er sah aus, als wolle er auf der Stelle zu heulen anfangen —, »dann
lasse ich Sie von Charlie unten auf den Zementboden legen und mit einem
Lastwagen plattwalzen.« Damit ging er hinaus und überließ mich der schönen
Aussicht auf solch ungewöhnliches Ende.
    Stille herrschte ringsum. Ich
probierte das Seil, das meine Hände hinter der Stuhllehne zusammenhielt, und
dann das andere, das meine Fußgelenke an die vorderen Stuhlbeine fesselte —
beide gaben keinen Millimeter nach. Fordyce hatte recht gehabt: Charlie hatte
ganze Arbeit geleistet, und ich hatte das Gefühl, Hände und Füße müßten mir nun
jeden Augenblick absterben. Mein Gedächtnis reproduzierte flugs die
Fernsehkrimis, die ich in letzter Zeit gesehen hatte und in denen der Held
ähnliche Situationen durchgestanden und sich natürlich befreit hatte. Der Stuhl
war massiv, aber nicht so schwer, daß ich ihn bei einem ernsthaften Versuch
nicht zum Umkippen gebracht hätte. Aber der einzige Unterschied wäre dann
gewesen, daß ich mit dem verdammten Stuhl am Boden lag, statt auf ihm zu
sitzen. Ich unternahm einen überaus anstrengenden Versuch und entdeckte, daß
ich den Stuhl ein bißchen nach vom rücken konnte — aber auch das schien
sinnlos, denn Fordyce hatte vergessen, Messer oder andere scharfe Gegenstände
auf dem Tisch liegen zu lassen.
    Die Zeit wurde zu einem
beunruhigenden Begriff, weil ich nicht auf meine Uhr schauen konnte und daher
nicht wußte, ob ich nun seit dreißig Minuten oder seit zwei Stunden allein war.
Meine Phantasie befaßte sich eingehend mit dem Bild riesiger Lkw-Reifen, die
langsam auf mich zu rollten. Irgendwo draußen im Büro huschte etwas, und Papier
raschelte. Wenn vielleicht eine Ratte hier hereinkam, konnte ich sie dressieren
und ihr ein paar Tricks beibringen — zum Beispiel, wie man Seile durchnagt.
Aber dann mußte ich mir eingestehen, daß ich nicht sonderlich viel von
Rattendressur verstand — ob sie wohl kamen, wenn man pfiff? Mein Verstand
seufzte bedauernd und wandte sich wieder den Reifen zu.
    Einige Zeit danach — ich hatte
mich mittlerweile an die leisen Geräusche der spielenden oder sonst was
treibenden Ratten gewöhnt — kam es mir vor, als habe draußen eine Diele
geknarrt. Ich lauschte angestrengt, und zwei Sekunden später war ich überzeugt,
es erneut gehört zu haben. Aber ich war nicht ganz sicher — vielleicht spielte
mir meine Phantasie einen Streich? —, denn nunmehr war es wieder still. Still?
Meine Ohren taten mir vom Lauschen weh — und wo waren die Ratten geblieben?
Einige Augenblicke später folgte ein weiteres Knarrgeräusch, und nun gab es
meines Erachtens nur noch ein Mittel, sich zu vergewissern.
    »Hilfe!« brüllte ich aus
Leibeskräften. »Hier bin ich!«
    Ich hörte eine Ewigkeit lang
nichts, dann vernahm ich ein Geraschel. Ich starrte finster wieder auf

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