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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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Butterfly. Erster Akt.« Toddy pfiff weiter, während es in der Zapfanlage gluckste. Als er den Zapfhahn in die Tanköffnung steckte, glitt sein Blick zu mir. Er zog am Schirm seiner Kappe. »Hab gehört, Sie hätten Hank nach Laura Beal gefragt.«
    Die Buschtrommeln von Winsworth arbeiteten schnell. »Stimmt. Kannten Sie sie?«
    »Klar kannte ich sie.« Toddy fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »So was Schlimmes ist hier noch selten passiert.«
    »Und was ist Ihr Tipp? War es Pinkham?«
    »Der hübsche Knabe?« Toddy schüttelte den Kopf. »Der war’s nicht, und ich sag Ihnen auch, warum. Der Junge war doch Laura Beals Hündchen. Aber Liebe war das nicht, bei keinem von beiden. So hat es zumindest Joy unten in der Post gesagt.«
    »Und was hat Joy noch erzählt?«
    »Sie hat’s ganz richtig erkannt. Laura hatte eine gute Zeit, genau wie Pinkham. Das ist auch schon alles. Und man bringt einen Menschen nicht einfach um, es sei denn, es kommt zum Streit.«
    »Wer also könnte Laura getötet haben?«
    Toddy zuckte die Achseln. »Das ist das Problem. Laura Beal war eine Expertin, wenn’s darum ging, andere vor den Kopf zu stoßen. Aber doch nicht so, dass jemand sie mit einem Messer attackiert.«
    »Ich habe gehört, sie hätte Drew Jones letzte Wahlkampagne sabotiert.«
    »Wer auch immer Ihnen das erzählt hat, hat keine Ahnung. Oh ja, sie hat ein ganz schönes Durcheinander angerichtet, stimmt, aber …« Toddys Blick glitt hinüber zum Autohaus. »Da haben noch eine Menge andere Sachen gegen Drew gearbeitet, um … Nein, Laura hat zwar eine Grenze überschritten, aber das kann ich ihr nicht vorwerfen. Sicher nicht.«
    Toddy schlug mit der flachen Hand auf das Wagendach und entfernte den Zapfhahn aus der Tanköffnung.
    »Und was hat Sie jetzt wohl veranlasst, mich mit dieser Auskunft zu beschenken, Toddy?«
    Er wandte sich wieder zu mir um, zwinkerte und fing an, im Weggehen eine weitere Arie zu pfeifen.
    Ich saß im Town Farm Restaurant am Tresen mit der fleckigen Resopalplatte, die mit der Zeit ganz glatt und glänzend geworden war. Von dort beobachtete ich den Kopf der Köchin, der beim Arbeiten auf und nieder hüpfte. Ich konnte erkennen, dass es nicht Carmen war. Eine jugendliche Bedienung mit Overall und frechem Grinsen kam mit einem verführerisch duftenden warmen Stück Blaubeerkuchen vorbei. Unmöglich, da zu widerstehen, also bestellte ich ebenfalls ein Stück. Als die Bedienung es brachte, fragte ich beiläufig nach Carmen.
    »Da hinten«, sagte das Mädchen mit einem Kopfnicken.
    Ich sah mich um. Der Laden war voll, er lief gut. Das freute mich für Carmen. Ich stach mit der Gabel in den dicken, blauen Sirup der Pie und leckte an den Zinken. Mmm. Ich schob das Treffen vor mir her.
    Ich ließ das Geld auf der Theke und ging durch den schmalen Gang nach hinten. An den Wänden hingen Filmposter und Kunstdrucke neben einem überbordenden Mitteilungsbrett.
    Zwei Männer und zwei Frauen saßen Kuchen essend und Karten spielend an einem der Tische. Ein Mann mit einer blauen Baskenmütze saß über einen Winkelmesser gebeugt da, und sein Bleistift glitt über ein Blatt Papier. Sein Kaffee sah aus, als wäre er kalt. Das Town Farm musste so eine Art Treffpunkt zum Abhängen sein. Ein Mann mit Glatze, dessen Kopf vor- und zurückhüpfte, schaufelte mit einer seltsamen Verzweiflung Eier und Speck in sich hinein. Der Typ sah ziemlich runtergekommen aus, als hätte er seit Tagen keine richtige Mahlzeit zu sich genommen.
    Die Glatze. Wie bei Gary Pinkham. War Pinkham etwa clever genug, um sich im Herzen von Winsworth zu »verstecken«?
    Ich blieb vor dem Mitteilungsbrett stehen und tat so, als würde mich eine Verkaufsanzeige für ein Ferienhaus interessieren. Der kahlköpfige Mann sah nicht auf, sondern schaufelte weiter Essen in sich hinein, als wäre er am Verhungern.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich.
    Er hielt den Zeigefinger hoch, schluckte den Rest seiner Eier und blickte dann auf. »Worum geht’s?«
    Er trug einen sorgfältig gestutzten Bart und eine schwarz gefasste Halbbrille und war zehn Jahre älter als Pinkham. Seine Augen waren …
    »Entschuldigung. Ich habe Sie verwechselt.«
    Er starrte mich an, und dann an mir vorbei den engen Gang entlang. Seine Finger krallten sich an der Tischplatte fest, seine schmale Brust hob und senkte sich, sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske der Angst.
    »Sir?« Ich blickte an ihm vorbei, konnte aber nichts sehen.
    »Carm!«, heulte er aus voller Lunge.

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