Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
Alles, was sich dann entwickelt, die ganze Welt der Arten und Formen, ist aufeinander abgestimmt, steht im Zusammenhang miteinander, solche Formen wie die hier entwickeln sich höchstens in extrem isolierten, meist sehr lebensfeindlichen Biotopen.
    Ich muß jetzt daran erinnern, ich habe gesagt: Normalerweise ist das so. Was aber könnte sein, wenn plötzlich hochkomplizierte, der planetarischen Natur fremde Bedingungen eingreifen? Ich denke an das Randfeld der Anomalie. Es bringt einen bestimmten Rhythmus mit sich, den wir kennen und der anscheinend irgendwie mit Bewegungsabläufen in großen Teilchenkollektiven zusammenhängt, und es bringt sicherlich noch andere Wirkungen mit sich, die wir nicht kennen. Da anzunehmen ist, daß diese Einflüsse den ganzen Planeten umfassen, ist es doch denkbar, daß sie hier und da auf Bedingungen in der Natur des Planeten treffen, und zwar organische wie anorganische, in denen sie eine Art Resonanz erzeugen. Daraus könnte dann eine Mischform entstehen, deren Bestandteile der Natur des Planeten entnommen sind, deren Organisation aber der Natur des Planten fremd ist, und die könnten wenigstens für eine ganze Periode stabil sein. So sehe ich das. Also kurz: Es handelt sich nicht ausschließlich um Leben, aber Leben ist beteiligt. Die Zusammensetzung verbindet die Erscheinungen mit der Natur des Planeten und macht ihre Existenz möglich, ihre Organisation aber isoliert sie. Und schützt sie. Mann, oh, Mann, wäre das ein Forschungsgegenstand!«
    Kein Zweifel, Gemmas Gedankengebäude hatte alle fasziniert. »Da schmeiß ich ja meine Version sofort weg«, sagte Rigel begeistert.
    »Nicht so schnell«, sagte Toliman, »nicht so schnell.«
    Aber es klang eher enttäuscht als begeistert.
    Dann schwiegen sie wie auf Verabredung. Die vorgetragenen Spekulationen boten reichlich Stoff zum Nachdenken.
    Mira jedoch dachte nicht über das nach, was die andern erzählt hatten, sie hörte die Enttäuschung in Tolimans Stimme. Mit einem Mal war ihr wieder bewußt geworden, worum es eigentlich ging und was wohl alle, vielleicht außer Toliman, im Eifer ihrer erfinderischen Phantasie aus dem Auge verloren hatten: Dieses Unternehmen hatte helfen sollen, in der Hauptfrage Klarheit zu schaffen, ob man nämlich den Leitstrahl senden dürfe. Nein, das war nicht ganz exakt formuliert. Nichtsenden hieße Tod für die Menschen im Mutterschiff und auch für sie selbst, das wäre erst die allerletzte Konsequenz, wenn dadurch unwiderruflich eine fremde Zivilisation geschädigt würde und keine Möglichkeiten beständen, diese Schädigung zu verhindern. Genau gesagt, ging es jetzt darum:
    Wenn der Verdacht, es handle sich um eine Zivilisation, anwachsen würde, müßte man versuchen, Kontakt mit ihr aufzunehmen oder definitiv verhindern, daß von dem Leitstrahl irgendwelche schädigenden Wirkungen ausgehen konnten. Beides hörte sich harmloser an als das Nichtsenden, lief aber wohl im Grunde auf das gleiche hinaus. Denn sie hatten keine Möglichkeit des Kontakts mit einer Erscheinung, die sich selbst isolierte - wer hätte sagen können, ob nicht gerade eine informativ gedachte Einwirkung auf das Klippendreieck, eine Sendung oder so etwas, das dort herrschende Gleichgewicht zerstörte? Und um den Leitstrahl zusätzlich in ein isolierendes Feld zu hüllen, fehlte ihnen die Energie. An beidem würde sich bis zur Stunde Null, der Absendung des Leitstrahls, kaum etwas ändern. Wenn sie, Mira, jetzt entscheiden müßte, sie wüßte nicht, wie. Und im Grunde genommen mußte jetzt entschieden werden.
    »Ist euch etwas aufgefallen«? fragte Toliman, aber es war wohl eine rhetorische Frage, denn er fuhr gleich fort: »Mir ist aufgefallen, daß wir alle bis auf Gemma unsere Phantasien entwickelt haben auf Gebieten, auf denen wir nicht so gut Bescheid wissen. Das ist niemand vorzuwerfen, das ist nämlich leichter. Wo man Bescheid weiß, wird eben dadurch die Phantasie eingeschränkt. Und das heißt wohl, daß wir Gemmas Version die größte Wahrscheinlichkeit zubilligen müssen. Aber andererseits kann man von keiner Version sagen, daß sie völlig unmöglich wäre. Und das bedeutet, daß es für unsere Entscheidung kaum neue Gesichtspunkte gibt.«
    Er schwieg. Jeder spürte, daß er zögerte zu sagen, was gesagt werden mußte. Es war nicht Feigheit oder Scheu vor der Verantwortung, wenn keiner von den andern ihm beisprang und ihm etwas von der Last abnahm; es war eher eine tiefe Bangigkeit, eine Ratlosigkeit, nicht nur

Weitere Kostenlose Bücher